Montag, 26. Dezember 2011

Stephanstag: Ein paar Gedanken

Der Märtyrertod des Hl. Stephanus passt so gar nicht in diese prachtvolle Weihnachtszeit. Das zarte Jesuskind in der Krippe und die harten Steine der Mörder. Diesen Gegensatz finden wir aber immer wieder in der Weltgeschichte und der Geschichte des Christentums von der Zeit der Apostel an bis zur Neuzeit.
Die Christenverfolgung in den ersten Jahrhunderten bis zum römischen Kaiser Konstantin, der das Christentum ledigimierte und selbst Anhänger dieser Gemeinschaft wurde. Der Versuch der Nazis das Christentum zu einer arischen Religion umzuwandeln, in dem besonders auch die Wurzeln im Judentum und im Alten Testament zu verleugnen versucht wurden. Ja es gab sogar Überlegungen Hilter selbst als den wiedergekehrten Christus zu verkaufen. Kurze Zeit danach das nächste Regime unter der SED und der kommunistisch-sozialistischen Parole "Ohne Gott und Sonnenschein fahren wir die Ernte ein!". (Jaja, da habt ihr wohl im Biologieunterricht geschlafen, als es um die Fotosynthese ging. :P)

Und auch ganz aktuell gibt es wieder Gewalttaten an Menschen, die um ihres Glaubens willen ihr Leben lassen müssen. In Irsael werden die Juden, in früheren Zeiten die Verfolgten, zu Verfolgern und die Palästinenser zu Geächteten. Nicht nur Christen sind Opfer. Schauen wir auf das Lieblingsargument der Religionskritiker, wenn es um die Katholische Kirche geht: Kreuzzüge.

Aber zu letzt erfuhren wir von 40 getöteten Christen in Nigeria, nach Anschlägen auf Kirchen. "Für die Anschläge wird die radikal-islamische Sekte Boko Haram verantwortlich gemacht. Die Gruppe will das islamische Recht Scharia in dem afrikanischen Land durchsetzen.", so DRadio Kultur in seinen Nachrichten.

Scharia, das göttliche Recht? Es ist erschreckend, dass es die Menschheit in weit mehr als 2000 Jahren nicht geschafft hat, die Macht und Majorität nicht zum Töten zu missbrauchen. Muss alles angegriffen und ausgemerzt werden, das fremdartig ist?

Vielleicht ist der Bericht über den Mord an Stephanus deswegen gerade auf den zweiten Weihnachtsfeiertag gesetzt worden. Die Geburt des Messias und schon ein erster Schimmer der Engstirnigkeit seines Volkes. Zwei Extreme, die doch dichter bei einander liegen, als man denken mag?

Stephanstag: Sie trieben ihn zur Stadt hinaus und steinigten ihn

Lesung aus der Apostelgeschichte (Apg 6,8-10; 7,54-60)

In jenen Tagen tat Stephanus,
voll Gnade und Kraft,
Wunder und große Zeichen unter dem Volk.
Doch einige von der sogenannten Synagoge der Libertiner
und Zyrenäer und Alexandriner
und Leute aus Zilizien und der Provinz Asien
erhoben sich, um mit Stephanus zu streiten;
aber sie konnten der Weisheit und dem Geist, mit dem er sprach,
nicht widerstehen.

Als sie seine Rede hörten,
waren sie aufs Äußerste über ihn empört
und knirschten mit den Zähnen.

Er aber, erfüllt vom Heiligen Geist,
blickte zum Himmel empor,
sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen
und rief:
Ich sehe den Himmel offen
und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen.

Da erhoben sie ein lautes Geschrei,
hielten sich die Ohren zu,
stürmten gemeinsam auf ihn los,
trieben ihn zur Stadt hinaus und steinigten ihn.
Die Zeugen legten ihre Kleider
zu Füßen eines jungen Mannes nieder, der Saulus hieß.

So steinigten sie Stephanus;
er aber betete
und rief: Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!
Dann sank er in die Knie
und schrie laut:
Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an!

Nach diesen Worten starb er.

Samstag, 24. Dezember 2011

Heiligabend, Humbug!

Ich habe lange überlegt, welches Thema ich am Heiligen Abend bespreche. Die Geburt Jesu, die Geschichte Hilfe, die Herdmanns kommen, welche für mich eine niedliche Alternative zum Klassiker A Christmas Carol darstellt, oder doch eher ein paar Gedanken zum Alle-Jahre-wieder-Weihnachtsstreit?, wenn die lieben Anverwandten aus allen Richtungen nach Hause drängen und bei dem zwanghaften Versuch, möglichst viel Harmonie auf die Fassade zu kleistern an den ungeklärten Problemen scheitern und einen Streit vom Zaun brechen - meist katalysiert durch eine winzige Kleinigkeit. "Räum doch mal dein Badetuch weg!"

Vor zwei Wochen schaute unser Außendienst zur abschließenden Buchprüfung vorbei und hinterließ eine wirklich süße Karte mit Grüßen. Nunja, süß? Michael Sowa, der Künstler, der das Motiv gemalt hat, hat gewiss nicht ohne Grund die Worte "Stille Nacht" und "Ruhe!" in so krassen Gegensatz gestellt. In der Zeit, in der der Kommerz und der Krampf vor, bei und nach der "Bescherung" wichtiger sind als der eigentliche Anlass, finde ich dieses Motiv einen guten Höhepunkt für "mein Thema".

Viel Spaß bei der eigenen Bildmeditation. Und Frohe Weihnacht!

Sonntag, 18. Dezember 2011

4. Advent: Der Engel Gabriel wurde zu einer Jungfrau gesandt

Aus dem Evangelium nach Lukas (Lk 1,26–38)

In jener Zeit wurde der Engel Gabriel
von Gott in eine Stadt in Galiläa namens Nazaret
zu einer Jungfrau gesandt.
Sie war mit einem Mann namens Josef verlobt,
der aus dem Haus David stammte.
Der Name der Jungfrau war Maria.

Der Engel trat bei ihr ein
und sagte: Sei gegrüßt, du Begnadete,
der Herr ist mit dir.

Sie erschrak über die Anrede
und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe.

Da sagte der Engel zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria;
denn du hast bei Gott Gnade gefunden.
Du wirst ein Kind empfangen,
einen Sohn wirst du gebären:
dem sollst du den Namen Jesus geben.
Er wird groß sein
und Sohn des Höchsten genannt werden.
Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben.
Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen,
und seine Herrschaft wird kein Ende haben.

Maria sagte zu dem Engel:
Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?

Der Engel antwortete ihr:
Der Heilige Geist wird über dich kommen,
und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten.
Deshalb wird auch das Kind heilig
und Sohn Gottes genannt werden.

Auch Elisabet, deine Verwandte,
hat noch in ihrem Alter einen Sohn empfangen;
obwohl sie als unfruchtbar galt,
ist sie jetzt schon im sechsten Monat.
Denn für Gott ist nichts unmöglich.

Da sagte Maria:
Ich bin die Magd des Herrn;
mir geschehe, wie du es gesagt hast.

Danach verließ sie der Engel.

Sonntag, 11. Dezember 2011

3. Advent: Mitten unter euch steht der, den ihr nicht kennt

Aus dem Evangelium nach Johannes (Joh 1,6-8.29-28)

Es trat ein Mensch auf, der von Gott gesandt war;
sein Name war Johannes.
Er kam als Zeuge,
um Zeugnis abulegen für das Licht,
damit alle durch ihn zum Glauben kommen.
Er war nicht selbst das Licht,
er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht.

Dies ist das Zeugnis des Johannes:
Als die Juden
von Jerusalem aus Priester und Leviten zu ihm sandten
mit der Frage: Wer bist du?,
bekannte er und leugnete nicht;
er bekannte: Ich bin nicht der Messias.
Sie fragten ihn: Was bist du dann?
Bist du Elija?
Und er sagte: Ich bin es nicht.
Bist du der Prophet?
Er antwortete: Nein.

Da fragten sie ihn: Wer bist du?
Wir müssen denen, die uns gesandt haben, Auskunft geben.
Was sagst du über dich selbst?
Er sagte:
Ich bin die Stimme, die in der Wüste ruft:
Ebnet den Weg für den Herrn!,
wie der Prohpet Jesaja gesagt hat.

Unter den Abgesandten waren auch Pharisäer.
Sie fragten Johannes:
Warum taufst du dann, wenn du nicht der Messias bist,
nicht Elija und nicht der Prophet?

Er antwortete ihnen: Ich taufe mit Wasser.
Mitten unter euch steht der, den ihr nicht kennt
und der nach mir kommt;
ich bin es nicht wert,
ihm die Schuhe aufzuschnüren.

Dies geschah in Betanien,
auf der anderen Seite des Jordan,
wo Johannes taufte.

Sonntag, 4. Dezember 2011

2. Advent: Ein paar Gedanken

Das heutige Evangleium führt uns in eine für die Adventszeit sehr ungewöhnliche Gegend: die Wüste. Wenn wir an Advent denken, haben wir Bilder von Kaminfeuer, Glühwein, Plätzchen backen und (Vor-)Weihnachtsmarktbesuchen vor dem inneren Auge.
Aber was hat die Wüste mit der Ankunft Christi zu tun?

Dieses lebensfeindliche Sphäre hat für die Israeliten eine besondere Bedeutung und spielt in der biblischen Überlieferung eine wichtige wiederkehrende Rolle:
- Das Volk der Israeliten wanderte vierzig Jahre durch die Wüste, nachdem es aus dem Leben als Sklaven in Ägypten ausgezogen war. Vierzig Jahre - in der damaligen Zeit ein ganzes Menschenleben; heute mitunter ein halbes Leben. Die 40 ist eine sehr symbolische Zahl, die für lange Zeotspannen steht.
- Jesus Christus selbst zog sich für vierzig Tage in die Einsamkeit der Wüste zurück, bevor er das erste Mal öffentlich auftrat und seine Botschaft verkündete. In der Abgeschiedenheit wollte er sein Leben ordnen. Nach dieser Zeit ging er nach Galiäa, einem sehr fruchtbaren Landstrich in Israel.

Eine Zeit vor der eigentlichen Frohen Botschaft Jesu, wird schon von seinem Wegbereiter gesprochen. Johannes, sein Großcousin, bekam später den Beinamen "der Täufer", der in der Wüste ein abschiedenes und ärmliches Leben führte. Er ernährte sich von "Heuschrecken und wildem Honig". Eine Speise, nach der man suchen musste.
In der Zeit, als die Juden von den Römern erobert und regiert wurden, rief er zu Umkehr auf und taufte als Erster die Menschen mit Wasser. (Wasser, das er wohl durch die Wüste noch mehr als lebenspendend und -erhaltend zu schätzen gelernt haben wird.)

Die letztes Strophe des Liedes "O Heiland, reiß die Himmel auf" wendet als poetisch-historisches Zeugnis den Blick auf eine weitere Wüste. Doch diese war von Menschen geschaffen.
Friedrich Spee, ein junger Jesuit schrieb dieses Lied vier Jahre nach Beginn des Dreizigjährigen Krieges - damals wussten die Leute noch nicht, dass dieser Krieg 30 Jahre dauern würde. Was hatte Friedrich Spee vor Augen? Die menschliche Wüste waren die Gräultaten des Krieges; Menschen, die grausam getötet, ja abgemetzelt wurden. Wohl auch Hungersnot der armen Bevölkerung. Außerdem pflegte und begleitete Friedrich Spee an der Pest erkrankte Menschen, denn der Anfang des 17. Jahrhunderts war auch die Zeit des schwarzen Todes.

Unter den zeitgenössischen Kritikern galt Friedrich Spee als schlechter Dichter, da seine Lieder kein gutes Versmaß aufwiesen, wovon Friedrich Spee sehr gekränkt war. Heutzutage gelten diese Werke aber als Zeugnis baroker Dichtkunst. Wer weiß schon, wie mein Handeln in dreizig Jahren, in einem Jahrhundert gewertet wird?

Leopold II. schaffte als Großherzog der Toskana als erste 1786 die Todesstrafe ab. Denn er war der Meinung, der Mensch sei nicht Herr über Leben und Tod. Somit wurde er zu einem Leuchtfeuer des Lebens in der Kälte der menschlichen Wüste.

Wir begegnen in der Weltgeschichte immer weider Menschen, die sich in die Wüste begaben und suchten, oder die der menschlichen Wüste Einhalt geboten.
Ich lade Sie ein, die Adventszeit zu nützen, um sich umzusehen wo in Ihrem Leben und um Ihr Leben Wüste herrscht und dort einen Funken Leben zu entzünden.

Wer weiß schon, wie mein Handeln in dreizig Jahren, in einem Jahrhundert gewertet wird?


- Nacherzählung der Predigt meines Pfarrers zum Zweiten Adventssonntag 2011.

2. Advent: Johannes trat in der Wüste auf

Aus dem Evangelium nach Markus (Mk 1,1–8)

Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes:
Es begann, wie es bei dem Propheten Jesaja steht:

Ich sende meinen Boten vor dir her;
er soll den Weg für dich bahnen.
Eine Stimme ruft in der Wüste:
Bereitet dem Herrn den Weg!
Ebnet ihm die Straßen!

So trat Johannes der Täufer in der Wüste auf
und verkündigte Umkehr und Taufe
zur Vergebung der Sünden.

Ganz Judäa und alle Einwohner Jerusalems zogen zu ihm hinaus;
sie bekannten ihre Sünden
und ließen sich im Jordan von ihm taufen.
Johannes trug ein Gewand aus Kamelhaaren
und einen ledernen Gürtel um seine Hüften,
und er lebte von Heuschrecken und wildem Honig.

Er verkündete:
Nach mir kommt einer, der ist stärker als ich;
ich bin es nicht wert,
mich zu bücken, um ihm die Schuhe aufzuschnüren.
Ich habe euch nur mit Wasser getauft,
er aber wird euch mit dem Heiligen Geist taufen.

2. Advent: O Heiland, reiß die Himmel auf

O Heiland, reiß die Himmel auf,
Herab, herab, vom Himmel lauf!
Reiß ab vom Himmel Tor und Tür,
Reiß ab, wo Schloß und Riegel für!

O Gott, ein’ Tau vom Himmel gieß;
Im Tau herab, o Heiland, fließ.
Ihr Wolken, brecht und regnet aus
Den König über Jakobs Haus.

O Erd’, schlag aus, schlag aus, o Erd’,
Daß Berg und Tal grün alles werd’
O Erd’, herfür dies Blümlein bring,
O Heiland, aus der Erden spring.

Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt,
Darauf sie all’ ihr’ Hoffnung stellt?
O komm, ach komm vom höchsten Saal,
Komm tröst uns hie im Jammertal.

O klare Sonn’, du schöner Stern,
Dich wollten wir anschauen gern.
O Sonn’, geh auf, ohn’ deinen Schein
In Finsternis wir alle sein.

Hie leiden wir die größte Not,
Vor Augen steht der ewig’ Tod;
Ach komm, führ uns mit starker Hand
Vom Elend zu dem Vaterland.


Text: Friedrich Spee, 1622

Sonntag, 27. November 2011

1. Advent: Seid wachsam!

Aus dem Evangelium nach Markus (13,24–37)

Jesus sprach zu seinen Jüngern:
In jenen Tagen, nach der großen Not,
wird sich die Sonne verfinstern
und der Mond wird nicht mehr scheinen;
die Sterne werden vom Himmel fallen
und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden.

Dann wird man den Menschensohn
mit großer Macht und Herrlichkeit
auf den Wolken kommen sehen.
Und er wird die Engel aussenden
und die von ihm Auserwählten
aus allen vier Windrichtungen zusammenführen,
vom Ende der Erde bis zum Ende des Himmels.

Lernt etwas aus dem Vergleich mit dem Feigenbaum!
Sobald seine Zweige saftig werden und Blätter treiben,
wisst ihr, dass der Sommer nahe ist.
Genauso sollt ihr erkennen,
wenn ihr all das geschehen seht,
dass das Ende vor der Tür steht.

Amen, ich sage euch:
Diese Generation wird nicht vergehen,
bis das alles eintrifft.
Himmel und Erde werden vergehen,
aber meine Worte werden nicht vergehen.
Doch jenen Tag und jene Stunde kennt niemand,
auch nicht die Engel im Himmel,
nicht einmal der Sohn,
sondern nur der Vater.

Seht euch also vor
und bleibt wach!
Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist.
Es ist wie mit einem Mann,
der sein Haus verließ, um auf Reisen zu gehen:
Er übertrug alle Verantwortung seinen Dienern,
jedem eine bestimmte Aufgabe;
dem Türhüter befahl er, wachsam zu sein.

Seid also wachsam!
Denn ihr wisst nicht, wann der Hausherr kommt,
ob am Abend oder um Mitternacht,
ob beim Hahnenschrei oder erst am Morgen.
Er soll euch, wenn er plötzlich kommt,
nicht schlafend antreffen.

Was ich aber euch sage,
das sage ich allen:
Seid wachsam!

Samstag, 26. November 2011

Produktionsnotiz 1111.01

Weihnachten naht mit riesigen Schritten, eigentlich ist es schon fast am Horizont zu sehen - ich muss mir noch einem Weihnachtskalender besorgen... ganz dringend. Zuhause gibt es schon keine mehr, aber vielleicht im großen, großen Berlin?

Morgen ist der erste Advent und ich habe mich doch länger als erwartet nicht mit Postings aus dem Arbeitsleben gemeldet. Eine 40h-Woche ist doch anstrengenderer als gedacht, wenn man sich die ständigen Allüren mancher Privatpatienten und (Oh, Wunder!) auch einiger gesetzlich Versicherter gefallen lassen. Der physiotherapeutische Dienstleistungsvertrag hat eben auch seine Vor- und NACHteile. ;)

Aber mir wird nun in kürze Internet und Kabelfernsehen in meinem "kleinen Reich" zur Verfügung stehen und dann fehlt nur noch ein anstädniges Bücherregel um die Optik und den Wohlfühlfaktor vollends nach oben zu bringen. Die Wahrscheinlichkeit neuer Beiträge steigt also wieder.

Meine Frisörin meinte vorhin zu mir, sie sei noch gar nicht in Stimmung für die Advents- und Wiechtsnachtszeit. Unter anderem sei es nicht kalt genug. Ich ich stimmte ihr zu - allerdings muss ich gestehen, dass meine Unlust weniger vom Wetter herrührt, denn aus der Fülle an offiziellen Pflichten und dem Mangel an Zeit für Privates.
Ich bin ja häufig jemand, der gegen den Strom zu schwimmen versucht. So ist es auch hierbei. Meine Mutter hat vor Jahren schon den Kommerz aus Weihnachten gestrichen und die deutsche "Last Christmas"-Mentalität geht mir selbst seit etwa genauso vielen Jahren auf die Nerven.
Die Heiden, die ihren Lichterschmuck schon gleich am Abend von Totensonntag aufhängen müssen und dieses immer gleiche Geduldel von Weihnachtsliedern, die zum Vergessen des eigentlichen Anlasses beitragen und schon Anfang November das erste mal den Klassiker von WHAM! ankündigen... Einfach nur scheußlich.

Fernab davon, werd ich auch dieses Jahr wieder schauen, ob es mit Kekse backen und Früchtepunsch und der Märchenhexe vom rbb auch ganz klein und besinnlich(!) geht.


Kulturtipp für den morgigen Sonntag, den 1. Advent 2011:

Märchenrätsel mit Angelika Mann und dem Weihnachtsmann
rbb, 27.11.11 ab 13:30 Uhr mit Hänsel und Gretel

Die Hexenhöhle ist aufgeräumt, der Kessel bereit, das Weihnachtsmannhaus geputzt und vom Weihnachtsmann bezogen: Alles fertig für das diesjährige Märchenrätsel.

Nur die Hexe (Angelika Mann) hat ein Problem. Ausgerechnet im Dezemeber hat der hexische Rat zum Großen Hexenkongress gerufen. Ratesumbria ist davon nicht begeistert. Gut, dass es die Hexen-Vertretungs-Regelung gibt.

Bereits zum 13. Mal erwartet in der Vorweihnachtszeit die Zuschauer eine Mischung aus Geschichten, Filmen und Rätseln rund um die schönste Zeit des Jahres.


Auch in diesem Jahr hat Ratesumbria bereits im Sommer begonnen, sich die Märchenrätsel für die Zuschauer zu überlegen. Schließlich bedeuten 13-mal "Märchenrätsel" ungefähr 100 Rätselfragen für die Zuschauer.

Kein Rätsel soll sich wiederholen. Das ist gar nicht so einfach! So sind auch in diesem Jahr gute Augen, Kombinationsvermögen und natürlich Glück gefragt, wenn man die Rätselnuss knacken will. Zu gewinnen gibt es wieder märchenhafte Überraschungspakete mit Leckereien, Büchern und Spielen.

Sonntag, 12. Juni 2011

Das tägliche Pfingstwunder

Über die Pflege der deutschen Sprache
Von René Weiland


Es geht nicht nur um die Behauptung der deutschen Sprache als Wissenschaftssprache neben dem Englischen, sondern um die Frage, wie nah oder fern wir uns selbst sind, wenn wir sprechen oder schreiben.

Wenn Norbert Lammert, wortmächtiger Präsident des Deutschen Bundestages, darauf verweist, dass die Muttersprache der Nährboden präzisen Denkens sei, so betrifft das nicht bloß die Wissenschaften, sondern uns alle. Es reicht nicht, Deutsch als Sprache der Wissenschaften zu rehabilitieren, ohne, wie Lammert betont, die eigene Sprache zu pflegen. Was aber bedeutet "Pflege"? Zeugt nicht noch selbst solch Appell von einem instrumentellen Umgang mit Sprache, und sei es auch in bester konservativer Absicht, die Muttersprache als Integral unserer eigenen Kultur in Stand zu halten?

Sprache findet überall dort statt, wo wir uns als Wesen innewerden, die nicht schon sich und die Welt auswendig kennen, die vielmehr ihr Denken und Fühlen, ihren Weltbezug im Ganzen erst noch ausdrücken müssen. Unser Selbstverständnis als denkende Wesen ist nicht zu trennen von unserem Sprachvermögen. Diese Selbstverständlichkeit droht uns abhanden zu kommen in einer Weltmonokultur, die auf einem technoiden pidgin-english basiert. Immer wieder neu müssen wir uns als sich selbst ausdrückende Wesen wiedergewinnen. Dies geschieht jedoch nicht über sprachhygienische Regulierungen, als schlicht mit jedem subjektiven Denkakt.

Wenn wir denken, fassen wir die Wirklichkeit nämlich nicht nur sprachlich auf, wir fassen sie selber als sprachliche Wirklichkeit auf. Denkend wird uns alles unwillkürlich zu Sprache, selbst das, was nicht unmittelbar sprachlichen Charakter aufweist: Wir entziffern Mienenspiele und Gesten, lassen uns von Landschaften und Musik ansprechen, lesen nicht nur Zeitungen, sondern auch Aufbau und Züge eines Fußballspiels. Zu Sprache geworden, wird uns etwas Äußeres erst verständlich. Wir verstehen etwas, indem wir dieses Etwas unserem Inneren assimilieren.

Denkend ermitteln wir ein Verbindendes von Außen und Innen. Diese Ermittlung findet nicht nur in Sprache statt als einem x-beliebigen Medium, sie findet überhaupt erst dank Sprache statt. Die Sprache selbst ist nämlich das Verbindende von Außen und Innen. So verstanden, ist Sprache und Denken ein und dasselbe. Die Alten nannten diese Einheit den Logos. Er lässt uns unseren Weltbezug formulieren, wie er zugleich unser Selbstverhältnis klärt. Sprechend und denkend vermitteln wir sowohl unsere Erfahrungen mit der Welt als auch uns selbst in unseren Empfindungen und Ansichten, immer in der Hoffnung, sie auch Anderen nachvollziehbar machen zu können. Eben dies aber leisten wir nicht über Austauschmarken einer pragmatischen Lingua franca wie dem heutigen Allerweltsenglisch, sondern im Vertrauen auf das Verbindende innengeleiteten, authentischen Sprechens.

Ehe wir uns also, sei es aus wissenschaftspolitischen, sei es aus kulturpatriotischen Gründen für die deutsche Sprache stark machen, sollten wir unser Zutrauen in unser eigenes Sprachvermögen stärken. So meint Muttersprachlichkeit nicht nur die Sprache einer Nation, ihre kulturelle Identität, sondern vielmehr unsere persönliche Integrität als immer schon in Sprache Denkende und Fühlende. Dass wir prinzipiell über diese Integrität verfügen, davon erzählt die biblische Erzählung vom so genannten Pfingstwunder. Man könnte ihre Pointe dahingehend ins Alltagssprachliche übersetzen, dass wir den Anderen der Andersheit seiner Sprache zum Trotz verstehen können, wo wir ganz bei uns selbst sind - dass wir, je inniger wir uns selber auszudrücken verstehen, auch Anderen umso verständlicher werden. Wenn wir unsere Sprache pflegen, so pflegen wir nicht diese selber, wir pflegen unsere Fähigkeit, uns als geistig-emotionale Wesen zu artikulieren.


René Weiland, geboren 1957 in Berlin, ist langjähriger Mitarbeiter der RIAS-Funkuniversität. Letzte Buchveröffentlichungen: "Das Äußerste, was ein Mensch sein kann. Betrachtung und Gespräch über Thomas von Aquin" , sowie (zusammen mit Matthias Eckoldt): "Wozu Tugend? Über den Gebrauch eines missbrauchten Begriffs".

(c) Deutschlandradio Kultur, Politisches Feuilleton - 25.05.11

Mittwoch, 8. Juni 2011

The Gazette #1

Mittwoch, 01. Juni 2011

Bohl: Materielle Werte heute zu wichtig

Materielle Werte sind vielen heute zu wichtig. Dieser Auffassung ist Jochen Bohl, Bischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Sachsen und stellvertretender EKD-Vorsitzender. Im Deutschlandradio Kultur sagte Bohl, man könne den Eindruck haben, das internationale Finanzsystem habe die demokratischen Staaten in Geiselhaft genommen. Den heute in Dresden beginnenden Evangelischen Kirchentag betrachtet Bohl als Gelegenheit, um über die Prioritäten im Leben zu reden.
(c) Deutschlandradio Kultur

Mittwoch, 8. Juni 2011

Obama überreicht Merkel die Freiheitsmedaille der USA

Bei einem Staatsbankett in Washington hat US-Präsident Obama Bundeskanzlerin Merkel mit der amerikanischen Freiheitsmedaille ausgezeichnet. Die deutsche Politikerin sei eine eloquente Stimme für Menschenrechte und Würde weltweit, sagte Obama im Weißen Haus. Er verwies auch auf ihr Streben nach Freiheit bereits in der DDR und auf ihren politischen Weg als erste Ostdeutsche und erste Frau an der Spitze der Bundesregierung. In ihrer Dankesrede sprach Frau Merkel von einem sehr bewegenden Moment. Die Auszeichnung sehe sie als Ausdruck der exzellenten deutsch-amerikanischen Partnerschaft an. Diese hatte Obama zuvor bei den Gesprächen mit der Kanzlerin als unverzichtbaren Pfeiler im internationalen Gefüge bezeichnet. Mit Blick auf Libyen betonte er, dass er davon überzeugt sei, dass Deutschland beim künftigen Wiederaufbau Verantwortung übernehmen werde.
(c) Deutschlandradio Kultur

Lettische Schüler lernen weiterhin, dass Homosexualität keine Krankheit ist

"Homosexualität ist keine Krankheit und betrifft bis zu zehn Prozent der Bevölkerung." Sätze wie dieser in einem lettischen Schulbuch haben konservative Politiker und Kirchenvertreter in dem baltischen Land empört. Sie wollten das Thema streichen lassen.

Das zuständige Schulamt in Riga hat aber anders entschieden. Das Sozialkunde-Lehrbuch für die 9. Klasse muss demnach nicht geändert werden. Aus der Behörde hieß es, man folge damit den Ratschlägen der staatlichen Kinderschutzbehörde, des lettischen Ärzteverbands und der Weltgesundheitsorganisation.

Für die Gegner der Schulbuchpassage sind die Ausführungen zur Homosexualität in der Lehrschrift ein Angriff auf die Familie und eine Bedrohung angesichts der kritischen demografischen Lage in Lettland.
(c) DRadio Wissen

Sonntag, 5. Juni 2011

Produktionsnotiz 0611.01

Die große Serie um Kirche, Macht, Gewalt und den "amourösen Indikativ" liegt hinter uns und ich habe mir schon das nächste Projekt einfallen lassen. Das Blog des kleinen lesenden Mannes ist ja in letzter Zeit sehr pragmatisch gewesen. Das will ich auch nicht ändern, aber da es hier ja ums Lesen an sich geht geht, habe ich beschlossen den Fokus auch wieder auf das gedruckte Buch zu bringen. Die Form der klassischen Rezension ist mich zur ein gutes Mittel über ein Buch bis ins kleinste zu sprechen und die "Lese man(n) doch..."-Kritiken wird es auch in Zukunft noch geben. Aber sie sind in der Ausarbeitung doch recht zeitaufwändig. Ich bin eben doch bloß Physiotherapeut und nicht die schwule Elke [Heidenreich].

Deshalb habe ich mich für ein schnelleres Instrument entschieden. In einigen Tage erscheint also die erste Ausgabe der Lese-Mann Lesetipps. Hier kann ich Bücher, einfach und kurz abhandeln, die ich für lesenswert halte. Außerdem mangelt es an Muse, Bücher, die ich vor Jahren gelesen habe, nochmals vorzunehmen, um für eine ausführliche Rezension die Feinheiten wieder vor Augen zu haben.

Wenn ich in einigen Tagen mein Dasein als Arbeitssuchender beendet habe und mit meiner zweiten Passion sogar endlich Geld verdiene, wird die Zeit ohnehin bedeutend knapper werden.

Für die Lesetipps habe ich mir vorgenommen, neue Wege zu gehen. Aber eh ich jetzt große Versprechungen mache, rufe ich zum Abwarten auf, wer weiß schon, wie es wird....

Zum Abschluss möchte ich jetzt noch für die zahlreichen Kommentare danken, insbesondere bei der Serie "Ich betenden Händen...". Ich hoffe, die vier Artikel habe etwas zum Verständis der bösen Katholischen Kirche beigetragen. Auch ich habe ein paar neue Denkanstöße bekommen. Es wird zB. sicher noch ein Text über die "Machtgleiheit" der Kirche folgen. Erstmal muss ich aber noch den non-profit-Film Zeitgeist zu Ende gucken. Der wurde mir nach dem ersten Teil von "In betenden Händen..." empfohlen.


*edit* 08.06.11: Ich bemerke seit geraumer Zeit, dass Kulturnachrichten unterhaltsamer und "spezieller" sind, als die übrigen. Deswegen habe ich heute beschlossen, noch eine weitere Rubrik aufzumachen, The Gazette, angelehnt an zahlreiche (amerianische) Nachrichtenblätter. Die Mitteilungen in einer Gazette müssen nicht immer das politische Weltgeschehen wiedergeben und kommentieren - oft gilt sie in den Augen der Leser mehr als Schmierblatt.
The Gazette startet umgehend.

TV nach 23.00 Uhr

230.000 Kinder schalten pro Abend ein

Die Anzahl der Kinder, die nach 23.00 Uhr noch TV schauen, steigt weiter an. In diesem Jahr haben bislang pro Abend durchschnittlich 230.000 Kinder im Alter von drei bis 13 Jahren das TV-Programm zwischen 23.00 Uhr und Mitternacht verfolgt.

Laut einer Sonderauswertung von "media control" nimmt diese Zahl kontinuierlich zu. Im Jahr 2008 schalteten noch 200.000 Kinder pro Abend ein, 2009 waren es bereits 210.000, im Jahr 2010 dann 220.000 kleine TV-Fans. Diese Zahlen waren allerdings schon einmal höher: Im Jahr 2003 versammelten sich sogar 270.000 Kinder zu später Stunde vor dem Bildschirm.

Der beliebteste Tag für das Spätabend-Programm ist der Samstag mit 530.000 Kids pro Abend in diesem Jahr. Freitags sind 360.000 Kinder zwischen drei und 13 Jahren dabei. Der bevorzugte Sender zwischen 23.00 Uhr und 0.00 Uhr ist RTL mit einer Einschaltquote von 26,3 Prozent. Es folgen Super RTL (10,7 Prozent) und ProSieben (10,3 Prozent).

31.05.2011 - Michael Brandes/wunschliste.de
Quelle: media control

Mittwoch, 1. Juni 2011

EHEC: Spanien "enttäuscht" von Deutschland

Madrid fordert Entschädigung für Landwirte wegen EHEC

(afp/dpa/sist) - Die Quelle der lebensgefährlichen EHEC-Infektionen in Deutschland liegt wieder völlig im Dunkeln. Spanische Gurken, die zunächst mit den Erkrankungen in Zusammenhang gebracht worden waren, sind nach neuen Laboruntersuchungen nicht der Auslöser.

Nach Umsatzeinbußen durch den angeblichen Fund des Darmkeims auf spanischen Gurken ist das Land sauer. Die spanische Agrarministerin Rosa Aguilar sagte nach Angaben des Nachrichtensenders N24, ihr Land wolle auf EU-Ebene Entschädigungen für alle europäischen Landwirte verlangen, die wegen EHEC Verluste haben. "Wir sind enttäuscht von der Art, wie Deutschland mit dieser Krise umgegangen ist."

Spanien werde zunächst den Schaden für die Landwirte beziffern und dann entscheiden, ob es möglich sei, "eine Entschädigung bei der EU-Kommission" zu beantragen, sagte Außenministerin Trinidad Jiménez bei einem Besuch in Mexiko. Zunächst sei es aber am wichtigsten, die Quelle der Erkrankungen zu identifizieren.


Zuvor hatte bereits Landwirtschaftsministerin Rosa Aguilar Entschädigungen für spanische Landwirte gefordert und das deutsche Krisenmanagement kritisiert. Gemüse aus Spanien bleibt derzeit in den Regalen liegen, nachdem in der vergangenen Woche spanische Salatgurken als eine Quelle des EHEC-Erregers identifiziert worden waren. Mittlerweile erklärten die Behörden allerdings, der dort entdeckte EHEC-Erreger sei offenbar nicht die Quelle für den beispiellosen Ausbruch an Infektionen mit dem Darmkeim.

In Hamburg waren auf vier Gurken EHEC-Erreger entdeckt worden, von denen drei aus Spanien stammten. Bei einer vierten Gurke ist die Herkunft weiter unklar. Die Bakterien auf zwei von der insgesamt vier Gurken stimmten nicht mit dem Erreger-Typ bei betroffenen Patienten in Hamburg überein, teilte Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) in der Hansestadt mit. Die Ursache für die Verbreitung des Erregers vor allem in Norddeutschland ist damit weiter unklar.

Hamburg ist ein Schwerpunkt der Erkrankungswelle. Nach Angaben der Gesundheitsbehörde waren in der Hansestadt bis Dienstag 569 Fälle von EHEC oder EHEC-Verdacht gemeldet worden. 110 Patienten wurden demnach wegen der lebensbedrohlich Komplikation HUS oder dem Verdacht darauf in Hamburger Krankenhäusern stationär behandelt. Es sei "keine Entspannung sichtbar", sagte Prüfer-Storcks. Bundesweit starben bislang mindestens 15 Patienten nach einer Infektion mit dem Erreger. Auch aus Schweden wurde am Dienstag ein erster Todesfall gemeldet.

(c) AFP


Quelle: http://www.gmx.net/themen/gesundheit/ehec/287p43o-ehec-spanien-ist-sauer

Montag, 30. Mai 2011

Sicher vor Missbrauch

Lieber jean99,

ich habe zuerst hin und herüberlegt, ob ich diesen Text ebenfalls als Kommentar veröffentliche oder als eigenen Post. Aber es ist dann doch zu wichtig, als dass er als "einfacher" Kommentar untergeht.

Aalsoooooo, der Kontext des Verhütungsverbotes ist schon der nachfolgende Satz, Matthias. Die Wiedergabe des 5 Gebotes und alles weitere bis zu "Die ungeborenen Kinder".

Frage, was genau meinst du mit "Sexualiät"? Das Wort kann ja so gut wie alles in diesem Themenbereich sein. Im Falle eines "sexuellen Verlangens" reden wir von einem animalischen Trieb, oder euphemistischer, einem Drang. Und diesen spreche ich selbstverständlich keinem Menschen ab!
Mit diesem Satz versuche ich lediglich aufzuzeigen, dass bei einem vernunftbegabten Menschen - also einem, der noch alle 5 Sinne beisammen hat - eigentlich der Geist über den Körper siegen muss, gerade im Hinblick auf die Übertragung von HIV auf die PartnerInnen.
Heißt, nur weil ich der Mann bin, darf ich nicht auf mein Recht nach sexueller Befriedung bestehen, wenn ich gleichzeitig dafür sorgen würde, dass mein Partner/meine Partnerin in Folge meines Verlangens sterben wird.
Wie sagte schon mein Bruder? "Nur weil man etwas kann, muss man es noch lange nicht machen!" Und er hat Recht!

Stichwort Gummi. Sehr gute Alternative. Damit würde ich wieder dem 5. Gebot nachkommen, nicht zu töten. Denn wenn die begattete Frau nun auch noch schwanger würde, wäre definitiv das Kind ebenfalls HIV+. De facto hätte unser kleiner Immunschwäche-Lustmolch sogar schon zwei Menschenleben auf dem Gewissen. Bravo!

Was die Rücksicht angeht, nun, schade, dass du kein GayRomeo-Profil mehr hast. Denn dort habe ich meinen "amourösen Indikativ" bereits veröffentlicht. Ich hole es umgehend nach und ermögliche Dir diesen philosophischen Erguss aus meiner Feder zu lesen:

Wenn man einen Menschen liebt, so wird man freiwillig auf bestimmtes verzichten und freiwillig bestimmte Dinge machen, ohne dass dieser Mensch ihn darum bitten muss.
Sofern diese Liebe, die man empfindet, völlig aufrichtig und ehrlich ist. Auf diese Weise nähert man sich von allein der "bedingungslosen Liebe" an.


Dieser Indikativ (bewusst kein Imperativ) lässt sich übrigens perfekt auf sämtliche anderen menschlichen Beziehungen übertragen... Freundschaft, Beruf usw.
Ich füge mal noch den Ökolgischen Imperativ von Hans Jonas an: "Handle so, daß die Wirkungen deiner Handlungen verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden."
Es ergänzt sich. (In meinem Profil habe ich auch noch den kategorischen Imperativ.)

Also... Unser vernunftgabter HIV+-Mensch wird freiwillig solange auf Sex verzichten, wie er kein Kondom zur Hand hat.
Ahja, und der Papst meint, er wird sogar komplett verzichten, weil ja Fortpflanzung auch nicht verletzungsfrei möglich wäre. Es darf jeder selbst einschätzen, wie realtiätsfern das ist. Nur ein Hinweis noch: Kondome werden mittlerweile auch von Seiten der katholischen Kirche und des Papstes toleriert. ;)

Gut, zugeben, die Kirche ist verantwortlich für ihre Gewalttaten und Mord verjährt nie. Aber wie will man bitte die Taten, die schon Jahrhunderte zurückliegen, jetzt noch sühnen? Es gibt heute keinen mehr, der noch am Leben wäre, den man bspw. für die Kreuzzüge zur Verantwortung ziehen könnte.
Damals fehlte ein Kriegsverbrechertribunal und seine Einberufung wäre auch fraglich. Ich wäre für Vorschläge die acht oder neun Jahrhunderte umfassen können, dankbar. Das einzige, was mir einfällt, ist, es heutzutage einfach besser zu machen, als die Vorfahren.

Die Auslegung, dass es einen "richtigen Gott" gibt, steht aber schon wieder im Gegensatz zu der ökomenischen Toleranz der katholischen Kirche. Es gibt "durchaus weitere Wege, als den der Römischen Kirche, um zum Heil zugelangen". [Selbstzitat vom 10. Oktober 2010] Das hat diese auch in "Nostra Aetate", der Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils zu den nichtchristlichen Religionen, so festgehalten.

Und was ist bitte so konstruiert an meinem Bild? Nein, ist schon klar, aber lassen wir doch einfach den Kram darum herum einfach weg. Und nun geht eine einzige Aufforderung an dich: Falte deine Hände zum Gebet!
Versuch mal jetzt eine Waffe in deine Hände zu bekommen. Es geht nicht!
Quod erat demonstrandum.

*edit* Ich habe übrigens mal weitergesucht und erfahren, dass der Satz von Kardinal Meißner, "In betenden Händen ist die Waffe sicher", noch weitergeht. Er endet mit: "...vor Missbrauch!"

Dieser Beitrag wurde vor am 20. Dezember 2010 um 00:11 veröffentlicht.

Samstag, 21. Mai 2011

jean99 sagt dazu…

Hallo KometenJunge,
auch Du verkürzt hier leider allzu sehr, um Deine Kirche zu verteidigen:

2. Absatz: Was ist denn der Kontext des Verhütungsverbotes? Um es mal vereinfacht zu sagen; deine These, dass die Sexualität in erster Linie der Fortpflanzung dient, impliziert letztlich, dass Du dann keine Sexualität zu haben brauchst...dann lass es mal sein. Zudem sprichst du HIV-Positiven ein sexuelles Verlangen geradezu ab. Wenn ich dir jetzt verbiete Sex zu haben, dann würdest du das einhalten? Einfach so? Oder würdest du dir eine Möglichkeit wünschen, wie es doch geht? Zum Beispiel durch ein Gummi! Wo bleibt da bitte die Rücksicht?

3. Absatz: Korrekt, jeder Mensch ist für sein Tun selbst zuständig...der mündige Mensch, wenn Du schon Kant zitieren willst. Wenn er also als Vertreter einer Institution auftritt, dann ist diese selbstverständlich auch zuständig, denn wer sollte sie denn vertreten, wenn nicht ihre Repräsentaten? Insofern ist selbstverständlich die Kirche verantwortlich für alle "Ihre" Gewalttaten.

Letzter Absatz: Klar, man kann diesen Satz vermutlich auf deine, leider recht konstruierte, Variante auslegen. Man kann aber auch sagen, dass Meißner damit meint, dass ein Soldat des christlichen Glaubens auch im Namen des "richtigen" Gottes tötet....beide Varianten möglich und legitim!

Das jetzt mal kurz als die Punkte, die mich am meisten störten...

LG
Matthias

Dieser Beitrag wurde am 11. Oktober 2010 um 23:12 veröffentlicht.



Der vierte und letzte Teil erscheint in einer Woche: am Montag, den 30.05.11.

Freitag, 20. Mai 2011

Samstag, 14. Mai 2011

Eine Gegenargumentation

Also das ist der größte Blödsinn, den ich seit langem gelesen habe. Ich weiß nicht, wo in diesem Text Brillanz zu finden sein soll. Und eine Analyse von Fakten und Entwicklungen ist hier auch nicht zu finden, denn dieses Statement ist nur eine Ansammlung von Halb- und Falschwissen.

Zum einen gehört das Buch Jesus Sirach nicht in das Neue, sondern in das Alte Testament.
Die Aussagen über das hier sogenannte Verhütungsverbot wurden ohne Aufgreifen des Kontextes verwendet. Die Zehn Gebote sagen klar und deutlich "Du sollst nicht töten!". Schließt das nicht auch die wehrlosesten unter den Wehrlosen ein? Die ungeborenen Kinder... Ferner appelliert die Kirche an die natürliche Vernunftbegabung eines Menschen. Wenn ich HIV habe, muss ich dann wie wild alles bespringen, was nicht bei 3 auf den Bäumen ist? Nein, sicher nicht. Denn von der Natur her, ist Sex zur Fortpflanzung gedacht. Dass es den Menschen auch noch Spaß bereitet ist eine nette Beigabe. Und mal wieder wurde eine Sache durch Rücksichtslosigkeit entfremdet.

Was die Gewaltvorstellungen und die Anwendung von Gewalt durch die Kirche angeht, so bleibt hierzu nur zu sagen, dass jede Gemeinschaft aus Menschen besteht. Und jeder einzelne dieser Menschen hat seine eigenen Fehler und Macken. Und jeder wird geprägt durch seine Erfahrungen. Jede Persönlichkeit ist einzigartig und ist bestimmt durch die gerade aktuellen Regeln und Umstände, in der sie existiert. Macht korrumpiert, sagt der Volksmund.
Betrachten wir aber nun die grundlegende Motivation, die bspw. den Kreuzzügen zugrunde lag, so war es das Bestreben, die Heilige Stadt Jerusalem vor den „Ungläubigen“ zu beschützen. Was der Mensch am Ende daraus macht, ist allein seinem Verstand geschuldet. Und einen Immanuel Kant hatte die Menschheit damals noch nicht.

Ich glaube auch nicht, dass der Papst die damalige Gewalt bei der Christianisierung geleugnet hat. Er begibt sich hingegen auf einen Weg, den die Katholische Kirche schon mit dem 2. Vatikanischen Konzil gegangen ist. Das II. Vatikanum kam u.a. zu dem Schluss, dass es durchaus weitere Wege, als den der Römischen Kirche gibt, um zum Heil zugelangen.
Ziehen wir die Mystiker - christliche wie nichtchristliche - heran lernen wir, dass nach der Loslösung von allem weltlichen und Ich-bezogenen Denken nur noch eines übrig bleibt: Liebe. Und sowohl das Neue Testament, wie auch Benedikt XVI., stellt fest: "Gott ist die Liebe" (1 Joh 4, 16)!
Wir sehen also, dass der christliche Gottesdienst, der Gottesdienst in der Synagoge und das Gebet in der Moschee oder die fernöstliche Meditation - um nur ein paar Beispiele zu nennen - nur weltliche Strukturen sind, um menschliche Formen der Glaubensgemeinschaft zu schaffen.

*edit* Wie mir ein befreudeter Soziologie-Student übrigens kürzlich verriet, besteht die Aufgabe der Kirche heutzutage auch nur noch darin, Halt zu geben und Wege bei ethischen, moralischen, sozialen und religiösen Fragen aufzuzeigen. (Dass sie sich heutzutage immer wieder schwer damit tut, nur die Beraterin zu sein, nach Jahrhunderten als Leitfigur, ist ein anderes Kapitel.)

Ferner bleibt die Frage im Raum stehen, ob ein Traktat, dass den Namen „Der HASS auf den Westen“ eine sachliche Erörterung sein kann. Und wo ist Überhaupt die Grenze zwischen Westen und nicht Nichtwesten zu ziehen? Ich für meinen Teil sehe Europa eher als den Kontinent zwischen Osten und Westen an. Und ein Mensch aus Australien würde Europa wohl eher als einen nördlichen Kontinent sehen, als als einen Teil des Westens.
Es bleibt wohl eine subjektive Einschätzung des jeweiligen Betrachters.
Das genannte Zitat kann ohne Berücksichtigung des seines Kontextes keine nennenswerte Aussagekraft haben und ist mit Vorsicht zu genießen. Das Buch „Der Hass auf den Westen“ beschreibt lediglich „wie sich die armen Völker gegen den wirtschaftlichen Weltkrieg wehren“. Angemerkt sei, dass der ‚wirtschaftliche Weltkrieg‘ ein Neologismus ist – eine Wortneuschöpfung. Diese beschreibt nicht nur neue Sachverhalte, sondern wird oft auch zur Propaganda genutzt. Erinnert sei hier an das „Internationale Finanzjudentum“ der Nazis.

Die wohl größte Verirrung der Autoren von hinter-den-schlagzeilen.de ist aber wohl der abschließende Absatz: einem Erzbischof öffentliche Zurschaustellung seiner vermeintlichen Gewaltvorstellungen zu unterstellen. Ziehen wir einfach neben unserer gesunden Vernunftbegabung auch eine Portion Fantasie gewürzt mit Sachlichkeit heran und stellen uns einen Soldaten vor, der betet. (Egal, ob in einer Notsituation oder aus tiefster Überzeugung.) Am besten gleich in der „Kulisse“ einer der Kirchenbänke des Kölner Doms: Der Mann kniet in Uniform auf einer der Kniebänke, seine Finger fest gefaltet, seine Augen zum Kreuz erhoben.
Forderten wir diesen Mann nun auf, sein Gewehr zu sich zu nehmen, so würde er es wohl neben sich stellen, auf seinen Rücken schnallen oder in den Kreis, den seine Arme mit seiner Brust bilden, legen. Das Gewehr würde friedlich und ruhig in dieser Kirche stehen. Sollte der arme Soldat nun auch noch das Gewehr richtig in die Hände nehmen, den Betgriff aber beibehalten, so würde der Lauf in die Luft zeigen und der Mann hätte auch keinen Finger am Abzug.
Im unwahrscheinlichen Fall, dass sich doch ein Schuss lösen sollte, würde dieser einfach in die Luft gehen.

„In betenden Händen ist die Waffe sicher!“



Der dritte Teil erscheint in einer Woche: am Samstag, den 21.05.11.

Montag, 2. Mai 2011

Katholizismus: „In betenden Händen ist die Waffe sicher“

Die Geschichte der katholischen Kirche ich eine Geschichte von Gewalt und Unterdrückung. Die derzeit geführte Debatte um die Gewaltanwendung und sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche greift einfach zu kurz. Die Formen der angedrohten Bestrafungen, die bereits Kindern in die Köpfe gebracht werden, Tod und Teufel, Hölle und Fegefeuer, Sünde und Buße sind allesamt Instrumente der Machtkontrolle über den Menschen. Die Gewalt, die sich in der Diskriminierung von Frauen als nicht gleichwertige Menschen ausdrücken, ist bis heute nicht aufgehoben.
(Ellen Diederich)

Im neuen Testament heißt es bei Jesus Sirach: „Von einer Frau nahm die Sünde ihren Anfang, ihretwegen müssen wir alle sterben.“ Oder: „Die Schlechtigkeit einer Frau macht ihr Aussehen düster und verfinstert ihr Gesicht wie das einer Bärin.“ Zur Bestrafung von Kindern heißt es dort u.a.:

„Wie Musik und Trauer ist eine Rede zur falschen Zeit, Schläge und Zucht aber zeugen stets von Weisheit.“

Gewaltvorstellungen und Anwendung von Gewalt waren immer Bestandteil der katholischen Kirche. Die Kreuzzüge, die Inquisition, die Folterung und Ermordung von zig Tausenden von Frauen im Rahmen der Hexenverfolgung sind nur einige Highlights aus den Jahrhunderten des Christentums.

Die Gewalt ist bis heute nicht beendet. Das Verhütungsverbot der Katholischen Kirche ist Ursache für das Leiden und Sterben von Millionen Menschen, vor allem in Afrika und Lateinamerika. In Lateinamerika ist heute die Todesursache Nr. 1 bei Frauen unter vierzig Jahren verpfuschte Abtreibung. Verhütung ist nicht gestattet, Abtreibung unter guten medizinischen Bedingungen ebenfalls nicht. Eine der afrikanischen Katastrophen besteht in der Erkrankung von Millionen Menschen am HIV-Virus und an Aids. Auch hier gilt das Verhütungsverbot der Katholischen Kirche.

Mit Diktaturen wie dem Hitler-Faschismus, Mussolini in Italien, die langen Jahre von Franco in Spanien, Salazar in Portugal bis hin zur Zusammenarbeit mit den Diktaturen, die bis in die späten neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts in ganz Lateinamerika unaussprechlichen Terror und Gewalt verübten, arbeitete die Katholische Kirche eng zusammen.

Die historische Schuld der Katholischen Kirche am Genocid an den indianischen Völker durch die Kolonisierung wird durch den derzeitigen Papst geleugnet. Bei seinem Besuch 2007 in Brasilien nahm er hierzu Stellung: „Der christliche Glaube beseelt seit mehr als fünf Jahrhunderten das Leben und die Kultur der indianische Völker dieser Länder. (…) Tatsächlich hat die Verkündigung Jesu und seines Evangeliums zu keiner Zeit eine Entfremdung der präkolumbianischen Kulturen mit sich gebracht und war auch nicht die Auferlegung einer fremden Kultur.“

20 Millionen Tote der indianischen Bevölkerung hat diese Christianisierung gekostet. Die katholische Kirche war maßgeblich beteiligt am größten Völkermord der Geschichte: Der Vernichtung der Urbevölkerung der Amerikas. Die Entvölkerung Afrikas für die Interessen der weißen Kolonisatoren ist ein weiteres Grauen der Geschichte.

In Aparecida fragt Benedikt weiter: „Welche Bedeutung hatte aber die Annahme des christlichen Glaubens für die Menschen Lateinamerikas und der Karibik? Es bedeutete für sie, Christus kennen zu lernen und anzunehmen, Christus, den unbekannten Gott, den ihre Vorfahren, ohne es zu wissen, in ihren reichen religiösen Traditionen suchten. Christus war der Erlöser, nach dem sie sich im Stillen sehnten.“

„Selten ist eine historische Lüge mit so viel Kaltblütigkeit verkündet worden“, schreibt Jean Ziegler über diese Rede in „Der Haß auf den Westen“.

Gewaltvorstellungen sind auch deutlich in den Äußerungen des Kölner Kardinals Meißner zu erkennen. Jedes Jahr Anfang Januar lädt er Nato-Soldaten aus verschiedenen Ländern und Waffengattungen in den Kölner Dom ein und segnet sie. In einer dieser Segnungen sagte er: „Einem Gott lobenden Soldaten können man getrost die Waffen überlassen, denn in betenden Händen ist die Waffe sicher.

Gefunden bei Hinter den Schlagzeilen: Konstantin Weckers Webmagazin // Kultur – Gegeninformation – Philosophie
Dieser Beitrag wurde am Donnerstag, 25. März 2010 veröffentlicht.


Originalkommentare:

BoKa sagt:
Eine brilliante Analyse, die es endlich mal auf den Punkt bringt.
Dem ist nichts hinzuzufügen.

Macilias sagt:
Unter jeden Stein werdet ihr mich finden, sprach eins Jesus und deutete damit das wer Gott sucht diesen überall findet. Einen Verein wie die Kirche brauchen wohl nur die Leute die auch am sonsten gerne in Vereinen sind wie Schützenvereinen, Karnevalvereinen…
Nachher wird aber jeder für seinen Taten selber abgerechnet liebe Mitbürger!

Quelle:
http://hinter-den-schlagzeilen.de/2010/03/25/katholizismus-„in-betenden-handen-ist-die-waffe-sicher“/#more-1374



Der nächste Teil erscheint in einer Woche: am Samstag, den 14.05.11

Freitag, 29. April 2011

Produktionsnotiz 0411.01

Als kleine Vorankündigung, mein Lieblingsmonat Mai wird recht stark von der Katholischen Kirche, ihrer Rolle in unserer Gesellschaft und argumentativ auch von der Kirchengeschichte geprägt sein.

Ich habe eine Reihe zusammengestellt, deren Texte sich noch aus dem Sterntagebuch rekrutieren. Ursprünglich war ich auf der Suche nach Bildern von Zen-Gärten und da landete ich mittels Google auf einem Webblog, oh mann!, was ich dort las riss mich regelrecht aus meinen Schuhen! Mein Kommentar darauf war auch eigentlich nur als kurzes abwertendes Statement geplant. Daher auch die etwas gelöste Wortwahl am Beginn des Textes. Normalerweise ist man ja als Kommentator um Sachlichkeit bemüht...

Das war im Oktober des letzten Jahres, später fand ich im Sterntagebuch den Kommentar eines alten Freundes. Er machte mich auf die stark subjektiven Aspekte aufmerksam, die auch ich für meinen Text genutzt habe.
Ursprünglich hielt ich den anschließenden Erläuterungstext für unnötig. Ich erwartete, dass der Leser mit Grundwissen zur Thematik schnell meinen Argumenten folgen könnte. Aber ich finde die vertiefenden Ausführungen gar nicht so schlecht. Zu mal sie mein erstes philosophisches Theorem, den amourösen Indikativ, enthalten. (Der Stil lässt noch zu Wünschen übrig.)

Die Texte werden in chronologischer Reihenfolge veröffentlich. Danken möchte ich schon an dieser Stelle meinem Freund Chris, der mir nachträglich noch ein sehr gutes Argument geliefert hat. Dies wird auch die einzige Änderung an den Texten sein, sie wird entsprechend gekennzeichnet.

AB 2. MAI, in wöchentlichem Abstand, die NEUE Reihe "In betenden Händen ist die Waffe sicher".


P.S. Mein Kommentar in dem Webblog wurde bereits gelöscht...

Sonntag, 24. April 2011

Aus der Osterpredigt vom Sonntag

Frag 100 Katholiken, was ist das wichtigste in der Katholischen Kirche? Sie werden antworten: "Die Messe". Frag 100 Katholiken, was ist das wichtigste in der Messe? Sie werden antworten: "Die Wandlung".
Sag dann 100 Katholiken, sie sollen sich wandeln - sie werden entsetzt sein!

Die Einleitung aus der Predigt zum Ostersonntag 2011.
Wolfgang Brummet, kath. Pfarrer.

Donnerstag, 21. April 2011

Opfertod in religiöser Tradition

Die Erlösung zu eigenem Heil?
Von Serdar Günes


Märtyrertum und Tod werden von uns negativ empfunden. Täglich führt uns das Fernsehen sinnlosen Tod vor Augen. Jeden Tag sterben Menschen einen gewaltsamen Tod. Durch Hunger oder Naturkatastrophen, Gewalt oder Selbstmordattentate. Es gibt also wahrlich keinen Grund, warum wir uns mit Opfer und Tod auseinandersetzen, darin etwas Positives sehen sollten. Aber ist das wirklich so?

Das Opfer kann ein Akt der Befreiung sein. Denn auch das zeigt uns das Fernsehen, jene anonymen Helden, die in einem Moment der Selbstaufgabe für den Erhalt des Lebens ihres hingeben oder zumindest riskieren: die tapferen Männer, die im atomverseuchten Kraftwerk Fukushima notwendige Reparaturen vornehmen, oder die vielen Ärzte und Entwicklungshelfer, die in Krisengebieten in ständiger Gefahr anderen Menschen Hilfe zukommen lassen.

Eine große Zahl dieser Menschen ist motiviert durch die Religion. Denn dieses Motiv gehört zur Substanz vieler Kulturen. An Ostern gedenken Christen in der ganzen Welt des Opfers Jesu. Sie erkennen die Barmherzigkeit und Wahrhaftigkeit in einem Akt der Erlösung für sie selbst. Sie beginnen zu begreifen, was es bedeutet, bereit zu sein, sich für etwas zu entscheiden und über die eigenen Grenzen hinausgehen. Daraus schöpfen viele Menschen die spirituelle Kraft für alltägliches Leben.

Obschon ich kein Christ, sondern ein Muslim bin, ist mir dieses Ostermotiv nicht fremd. Denn während heute Märtyrertum im Islam häufig als religiöser Fanatismus wahrgenommen wird, vergisst man gerne, dass es eigentlich ein Aufopfern für eine gute Sache bedeutet, die nicht unbedingt mit dem Tod enden muss, ihn aber immer vor Augen hat. In der Geschichte war das Militärische nur ein Aspekt des Märtyrertums, während die Läuterung der Seele, der uneigennützige Einsatz für die Familie und Umwelt den wahrhaften Kern dieses Gedankens ausmachen.

Dieser Grundgedanke hat im Islam verschiedene Formen des Märtyrertums und des Opfertodes hervorgebracht. Für die Schiiten ist die Schuhada, das Märtyrertum, ein wichtiger Kult, in dem das Gedenken an Husain, den Enkelsohn des Propheten Mohammed, der im Kampf fiel, eine große Rolle spielt. Ihre Trauer und Wut drücken sie einmal jährlich beim Aschura-Fest in Passionsspielen aus, indem sie sich selbst geißeln oder schlagen. Ist es ein Zufall, dass die schiitische Passion den christlichen Osterprozessionen in aller Welt zu ähneln scheint? Beide Traditionen wirken drastisch und manchmal Furcht einflößend, sind aber auch ein Fingerzeig auf etwas Allzumenschliches.

Märtyrertum und Aufopferung ist eine Haltung. Daher orientieren sich Muslime auch am Beispiel der christlichen Befreiungstheologie und entdecken im Islam ein Potenzial für Befreiung und Emanzipation, für die Beseitigung von sozialem und politischem Elend. So wie die Christen den Karfreitag nicht ohne den Ostersonntag sehen.

Als Muslim weiß ich auch, dass dies leider nicht die einzige Art ist, wie Menschen damit umgehen. Töten und Tod sind überall auf der Erde schon seit Langem gleichsam privatisiert worden. Sie wurden Selbstzweck und dabei jeder Reflexion und Menschlichkeit beraubt. Wenn sie jemals Mittel zum Zweck waren, dann ist dieser verloren gegangen.

In einem Akt der Gewalt glauben religiöse Fanatiker den Märtyrertod zu sterben, der viele Unschuldige aus dem Leben reißt. Sie glauben, so Gottes Wort umsetzen. Für mich hat diese Haltung nichts mit der Barmherzigkeit zu tun, die der Koran fordert. Sie drückt vielmehr eine Perversion der heiligen Botschaft aus, wie sie die Mehrheit der Muslime ablehnt. Ich kann keine Gemeinsamkeit mit solchen Fanatikern erkennen, die sich auch Muslime nennen, weil der Name nur die einzige Gemeinsamkeit ist.

Schon eher entdecke ich das "Gottes Wort" in dem Gedenken an den Opfertod Jesu und an die vielen Menschen heute in der Welt, die es ihm nachmachen. Dies ist wahrhaft islamischer als die tägliche Vergewaltigung der Menschenrechte durch Nationalisten und Fundamentalisten.

Serdar Günes, Islamwissenschaftler, geboren 1978 in Stuttgart, studierte Germanistik, Politikwissenschaft, Philosophie an den Universitäten Izmir und Stuttgart sowie in Tübingen Islamwissenschaft und Literatur. Seit 2007 ist er in Frankfurt wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand an der Stiftungsprofessur Islamische Religion (Institut für Studien der Kultur und Religion des Islam). Seine Forschungsschwerpunkte sind Koranexegese in der Moderne, Reformdenken im Islam, Islamophobie, Islamunterricht, Interkultureller Dialog, Islamische Seelsorge, Grenzfragen von Religion und Naturwissenschaft. Er schreibt im Blog serdargunes.wordpress.com.

(c) Deutschlandradio Kultur, Politisches Feuilleton [Funkfassung]

Mittwoch, 20. April 2011

Goodbye, Sarah Jane!

Heute Morgen schaute ich durch Zufall auf Wikipedias Startseite (was auch immer ich da wollte) und entdeckte den Namen Elisabeth Sladen unter den kürzlich verstorbenen. Schock! "Die Darstellerin von Sarah Jane Smith, gestorben... Unfassbar, so alt war sie doch noch gar nicht."

Im Radio kam dann folgende Kulturnachricht:

Britische Schauspielerin Elisabeth Sladen ist im Alter von 63 Jahren gestorben. Ihre bekannteste Rolle war die der Sarah Jane Smith in der Serie "Doctor Who". Die Science-Fiction-Reihe aus den 70er Jahren wurde in mehr als 50 Ländern ausgestrahlt. Zuletzt trat die britische Schauspielerin in ihrer eigenen Kinder-Show "The Sarah Jane Adventures" auf. Elisabeth Sladen starb nach Angaben der BBC gestern an einer Krebserkrankung.

Ich habe sie in der 2005 fortgesetzten Version von Doctor Who kennengelernt. Der britische Kult ist auch zu einer meiner liebsten TV-Serien geworden. In der Folge "Klassentreffen" begegnete die 10. Inkarnation des Doctors, gespielt von David Tennant, zusammen mit seiner Begleiterin Rose, einer alten Bekannten - der Enthüllungsjounalistin Sarah Jane Smith.
Sarah Jane war vor vielen Jahren selbst die Begleiterin des Doctors. Er lies seine langandauernste Freundschaft aber dann in Schottland zurück, zusammen mit dem Computer-Hund K-9.

Nach durchstandenem Abenteuer, erhält Sarah Jane die Gelegenheit, sich von ihre heimlichen Liebe - mittlerweile in neuem Anlitz - richtig zu verabschieden.
Dies war eine kurzweilige und sehr intime Geschichte. Und noch nicht die letzte, dem Doctor und Sarah Jane Smith sollten noch einige Wiedersehen bevorstehen.


Elisabeth Sladen †
1. Februar 1946 - 19. April 2011

Montag, 11. April 2011

Wenn aus humanitärer Intervention ein Krieg wird

Die bewaffnete Umsturzhilfe der Nato in Libyen
Von Reinhard Mutz


Robert Gates, der Verteidigungsminister, Michael Mullen, der ranghöchste Soldat, Tom Donilon und Denis McDonough, die Vorsitzenden des Nationalen Sicherheitsrats, sind die militärischen Experten in Präsident Obamas Sicherheitskabinett. Einhellig warnten sie vor einer Verstrickung der USA in einen weiteren bewaffneten Konflikt mit ungewissem Ausgang. Eine Phalanx einflussreicher Frauen in hohen Regierungsämtern hielt dagegen: Außenministerin Hillary Clinton, UNO-Botschafterin Susan Rice und die Sicherheitsberaterin Samantha Power.

Ihre vorwiegend humanitäre und menschenrechtliche Argumentation gab den Ausschlag für den abrupten Schwenk der amerikanischen Libyenpolitik Mitte März. Jetzt gehen die internationalen Militäreinsätze in eine weitere Woche. Doch ein durchschlagender Erfolg, gar das Ende des Unternehmens zeichnet sich nicht ab.

Am Anfang hatte eine Schreckensnachricht gestanden: Gaddafi gehe mit Luftangriffen gegen friedliche Demonstranten vor. Oder in den Worten von Frau Rice: Er schlachtet sein eigenes Volk ab. Was daran stimmte, ist bis heute unklar. Das UNO-Generalsekretariat in New York, das Pentagon in Washington, sogar die westlichen Botschaften vor Ort in Tripolis, sie alle sahen sich außerstande, die Horrormeldungen zu bestätigen.

Umso deutlicher wurde sehr bald, dass der Schutz unschuldiger Zivilisten nicht das einzige Ziel der westlichen Kampfjets darstellt. Vor allem leisten sie bewaffnete Umsturzhilfe für die politisch genehmere der beiden Konfliktparteien im libyschen Stammes- und Bürgerkrieg. Dem widerspricht nicht notwendigerweise die jüngste Entscheidung Washingtons, die militärischen Kampfeinsätze den Verbündeten zu überlassen und sich selbst auf eine unterstützende Rolle zu beschränken.

Zum Markenzeichen amerikanischer Auslandsaktivitäten zählt seit längerem der verdeckte Kampf mit Spezialkräften. Ob nun ein militärischer Gegner geschwächt oder "befreundete" Gruppen unterstützt werden, stellt jeweils lediglich die Kehrseite derselben Idee dar. Ein Gebiet, das sich wie der Ostteil Libyens unter Kontrolle des ausersehenen regionalen Kooperationspartners befindet, bietet dafür sogar besonders günstige Voraussetzungen.

Allerdings lässt der einschlägige Libyen-Beschluss des UNO-Sicherheitsrats kein Schlupfloch für diese Form der Bündnishilfe zu. Die Resolution verbietet nicht nur die Lieferung von Waffen und militärischer Ausrüstung, sondern auch "die Bereitstellung technischer Hilfe, Ausbildung, finanzieller und anderer Hilfe im Zusammenhang mit militärischen Aktivitäten" - und zwar auf dem gesamten Territorium des Staates, also auch Lieferungen an die Aufständischen in Benghasi.

Unbeschadet der amerikanischen Kurskorrektur bestehen die Fragen nach der moralischen Rechtfertigung und der politischen Verantwortbarkeit der Angriffe aus der Luft fort. Dazu verweisen Befürworter der Einsätze gern auf das zeitgeschichtliche Vorbild des Kosovokriegs. Doch ehe die NATO ihr Kriegsziel erreicht sah, brauchte sie 78 Tage Dauerfeuer in 37.000 Lufteinsätzen mit Bomben und Raketen auf Straßen, Eisenbahnlinien, Brücken, Fabriken, Raffinerien, Rundfunksender - sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag.

Dass schließlich in der elften Kriegswoche der serbische Potentat die weiße Fahne hisste, leiht ihm noch nachträglich die Gloriole eines verantwortungsbewussten Staatsmanns. Denn "sonst hätte die NATO weitergebombt, seine Infrastruktur pulverisiert", wie ihr Oberbefehlshaber General Wesley Clark damals sagte. Das war das Kriegsbild, für das eigens ein neuer Name erfunden wurde: die humanitäre Intervention. Diesmal ist der Schauplatz das Land mit den größten Ölreserven Afrikas. Kein gutes Omen für die Menschen in Libyen.

Dr. Reinhard Mutz, Jahrgang 1938, studierte nach dem Militärdienst Politikwissenschaft, Soziologie und Neueren Geschichte, promovierte über Probleme der Analyse, Kritik und Kontrolle militärischer Macht und habilitierte sich über Konventionelle Rüstungskontrolle in Europa. 1966 bis 1984 arbeitete er am Institut für internationale Politik und Regionalstudien der Freien Universität Berlin, zuletzt als Assistenzprofessor. Von 1984 bis 2006 am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg, zuletzt als Geschäftsführender Wissenschaftlicher Direktor. Von 1992 bis 2008 war er Mitherausgeber des Jahresgutachtens der friedenswissenschaftlichen Forschungsinstitute in der Bundesrepublik. Seine Arbeitsgebiete sind Friedensforschung, Rüstungskontrolle, internationale Sicherheitspolitik.

(c) Deutschlandradio Kultur, Politisches Feuilleton [Funkfassung]

Freitag, 1. April 2011

Lese man(n) doch... - Die Rezension Nr. 2

»Mein Nachname war Salmon, also Lachs, wie der Fisch; Vorname Susie. Ich war vierzehn, als ich am 6. Dezember 1973 ermordet wurde. Auf Zeitungsfotos in den Siebzigern sahen die vermissten Mädchen meistens aus wie ich: hellhäutig und mit mausbraunen Haaren. Das war, bevor Bilder von Kindern aller Hautfarben und Geschlechter nach und nach auf Milchtüten und in der Tagespost auftauchten. Damals glaubten die Leute noch, so etwas geschehe einfach nicht. (...)
Mein Mörder war ein Mann aus unserer Nachbarschaft. Meiner Mutter gefielen seine Blumenrabatten, und mein Vater unterhielt sich mal mit ihm über Düngemittel. Mein Mörder glaubte an altmodische Zutaten wie Eierschalen und Kaffeesatz, die, wie er sagte, seine eigene Mutter schon benutzt hatte. Mein Vater kam lächelnd nach Hause und riss Witze darüber, dass der Garten des Mannes zwar wunderschön sein mochte, aber zum Himmel stinken würde, sobald eine Hitzewelle zuschlüge.«


Gelesen vor ein paar Jahren, in der Mitte des Sekundarstufe II, an einem brandenburgischen Gymnasium, hat mich das Buch eine lange Zeit nicht losgelassen.
Ursprünglich brachte mein Bruder In meinem Himmel mal für unsere Mutter mit. „Das wird dir bestimmt gefallen“, hatte er gesagt. Es gefiel wie nur wenige andere Bücher: Sie zog dieses Buch dem Fernseher vor, und während mein Vater und ich vor der Flimmerkiste hangen und (wahrscheinlich) einen Krimi schauten, saß sie nebenan und las, Seite um Seite.
Wir hatten dann unser eigenes Exemplar irgendwann in der Hausbibliothek, denn das andere Buch stammte von einem Bekannten meines Bruders. So saß dann auch ich Stunde um Stunde zuhause im Sessel und in der Schule auf den unbequemen Stühlen und verschlag in den Pausen ein Wort nach dem anderen.

Mit diesem Buch hatte ich meine erste Annäherung an das Thema Vergewaltigung. Und bei all der Tragik wurde mir gleichfalls eine wunderschöne Sicht auf das Leben gegeben:
Susie, gerade mal 14 Jahre jung, wird eines Tage von ihrem Nachbar entführt und auf einem Feld in einem versteckten Erdloch ermordet. Sie gelangt im Jenseits in 'ihren Himmel', fast wie eine in sich geschlossene Blase, welche aber an unzähligen anderen klebt, wie der Schaum in der Badewanne – und von dort aus beobachtet sie ihre Familie, die nun ohne sie zurecht kommen muss.

Alice Sebolds Geschichte beginnt mit einer ganz wunderbaren Idee: einem Monolog der Erzählerin. Sie erzählt mit den Worten eines Mädchens, das erst vor einiger Zeit in die Pubertät gekommen ist. Das die Kindheit gerade hinter sich lässt und die ersten guten Schritte in die Welt der Erwachsenen setzt.

„Mein Nachname war Salmon, also Lachs, wie der Fisch; Vorname Susie. Ich war vierzehn, als ich am 6. Dezember 1973 ermordet wurde.“ Diese Worten packten mich. Wie manch anderes Buch, was meine Mutter in den letzten Jahren packte, las ich vor ihr schon einige Seiten in dem Buch. Was an dem Zitat auffällt, ist, dass Susie von sich selbst in der Vergangenheit spricht. Man stutzt sofort, ob dieser merkwürdigen Wortwahl. Und kann nicht anders als weiterzulesen.

Susie erzählt von ihrem Himmel, ihrer Betreuerin, die ihr bei der Integration in das „Leben“ nach dem Tot hilft. Doch nicht nur von ihrem Himmel, sondern auch von den 20 Jahren, die vergehen müssen, bevor sich Susies Eltern, Geschwister und Freunde mit ihrem Schicksal abgefunden haben und die Erinnerung an das Mädchen und den Verlust verarbeitet haben.

Aber auch Susie selbst muss verarbeiten. Denn immer wieder wandert ihre Erzählung zu ihrem Mörder. (Auch die Gedanken und das Handeln ihres Vaters drehen sich all die Jahre besonders um ihn.)

Was von Susie blieb, war ihr Ellenbogen, den der Mörder unabsichtlich vergessen hat, nachdem er ihren Körper zerteilt hatte. Der Rest von ihr verschwindet auf einer Müllgrube, durch die Hände ihres Mörder-Nachbarn.

Auszusetzen habe ich eigentlich nichts an der Geschichte des Grubenkindes, denn die Autorin, die selbst einen 20 Jahre andauernden seelischen Heilungsprozess durchgemacht hat – aus eben fast den selben Gründen – beschreibt die Welt ihres Romans eindrucksvoll und vielfältig. Was mich damals aber zutiefst störte, war ein dramaturgischer Einfall von Frau Sebold, der die Poetry dieser Prosa zunichte macht. Im 22., dem vorvorletzten Kapitel gelingt es der Seele Susie Salmons mit ihrem (zu Lebzeiten) besten Freund zu schlafen. Vielleicht ist es meine starre Haltung, was allzu liberalen Umgang mit dem christlichen Jenseitsbild angeht...

Ganz egal, ob Christ, Atheist oder einfach Gelangweilter, dieses Buch ist lesenswert! (Noch mehr sogar, wenn man das vorvorletzte Kapitel einfach überspringt.) Genießen Sie die Erzählung, denken Sie über Susies Impulse nach, während Sie ihren Mörder in die Höllen wünschen.


Alice Sebold - In meinem Himmel (2003)
Titel der Originalausgabe: The Lovely Bones
Manhattan-Verlag (Goldmann Verlag, München)
Gebundene Ausgabe, 380 Seiten
ISBN: 3-442-54552-8

Projekt Aufklärung

Plädoyer für einen ehrlichen Umgang mit der DDR-Diktatur
Von Klaus Schroeder


Soviel Anerkennung wie derzeit genoss die DDR Zeit ihres Lebens nicht. Anders als nach 1945, als in der Bundesrepublik die Demokratie von einer breiten Mehrheit getragen wurde, weil die Schatten der NS-Vergangenheit verblasst waren, nimmt die Verklärung der sozialistischen Diktatur zu, je länger sie zurück liegt. Die heutige Demokratie dagegen gilt nur einer Minderheit der Ostdeutschen als verteidigenswert. Dies hat mehrere Gründe, offenkundige und tabuisierte.

Viele ehemalige DDR-Bürger loben ihren untergegangenen Staat, weil sie nach der Wiedervereinigung mit den neuen Verhältnissen nicht zu recht kommen, sich den Westdeutschen unterlegen fühlen oder fehlende Anerkennung für ihre Lebensleistungen beklagen. Wieder andere, vor allem junge Menschen, verklären den SED-Staat aufgrund mangelnder Kenntnisse.

In den Elternhäusern und Schulen wird ihnen viel über einen auf Banalitäten reduzierten Alltag und wenig über die diktatorischen Facetten und sozialen Realitäten berichtet wie etwa die gewaltigen Vermögensunterschiede, die bis zum Ende andauernde Mangelwirtschaft oder die kargen Renten. Die flächendeckende Umweltzerstörung findet ebenfalls kaum Erwähnung. Hinzu kommt Mitleid oder auch Nachsicht mit den Eltern und Großeltern, die aufgrund mangelnder Differenzierung zwischen System und Lebenswelt als Verlierer des Systemwettbewerbs dastehen.

Weitgehend ausgeklammert bleiben in öffentlichen und privaten Diskussionen individuelle Verstrickungen in das diktatorische System, die offenbar eine weitaus größere Dimension haben als bisher öffentlich bekannt. Die Verharmlosung der Diktatur dient insofern vielen auch als Schutz des eigenen damaligen Verhaltens. Individuelle Verantwortung wird mit Verweis auf gegebene Strukturen und Zwänge geleugnet oder bestritten.

Die aus dem Amt geschiedene Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, wurde nicht müde zu betonen, dass nur ein sehr geringer Teil der Ostdeutschen für die Stasi gespitzelt habe. Dies ist, wenn überhaupt, nur die halbe Wahrheit. In den über sie angelegten Akten finden viele Personen Informationen von Kollegen, Vorgesetzten, Bekannten oder Freunden, die nicht offiziell oder inoffiziell für die Stasi gearbeitet haben. Die Auskunftsfreude inklusive der damit verbundenen Denunziationsbereitschaft vieler Ostdeutscher war offenbar stärker ausgeprägt, als manche wahrhaben wollen. Dieser Personenkreis schadete den Bespitzelten oftmals stärker als die IMs.

Die freiwilligen Helfer der Grenzpolizei etwa haben fleißig dazu beigetragen, dass Fluchtwillige geschnappt, verurteilt und ihrer sozialen Existenz beraubt wurden. Freiwillige Helfer der Volkspolizei, Mitglieder von Hausgemeinschaftsleitungen und Abschnittsbevollmächtigte meldeten ebenfalls den "Sicherheitsorganen" Verdächtiges. Ganz zu schweigen von den vielen überzeugten Kommunisten, für die die Zusammenarbeit mit der Stasi selbstverständlich war.

Im Rahmen des so genannten politisch-operativen Zusammenwirkens arbeiteten viele staatliche Institutionen schon von Amts wegen mit der Stasi zusammen. Diese zwar bekannte Tatsache wurde bisher jedoch von der Stasi-Unterlagenbehörde nicht umfassend erforscht. Aus dem Blick geraten ist auch die dominante Rolle der SED, die Spitzelei und Unterdrückung anordnete und die Stasi lenkte und kontrollierte.

Gewiss, Aufklärung über die sozialistische Diktatur in einem umfassenden Sinn tut vielen weh, aber dennoch ist gerade diese Aufklärung Aufgabe des Birthler-Nachfolgers Roland Jahn, der dafür sorgen muss, dass die Stasi nicht isoliert, sondern als ein Teil des Herrschaftssystems der sozialistischen Diktatur gesehen wird. Stärker als bisher muss er zudem die Arbeit seiner Behörde mit anderen Institutionen, die sich der Aufarbeitung der sozialistischen Diktatur verschrieben haben, verzahnen. Die DDR darf weder als soziales Paradies noch als Stasi-Staat verklärt werden.

Klaus Schroeder, Sozialwissenschaftler, geboren 1949 in Lübeck, leitet an der Freien Universität Berlin den Forschungsverbund SED-Staat und die Arbeitsstelle Politik und Technik und ist Professor am Otto-Suhr-Institut der FU Berlin. Letzte Veröffentlichungen: "Der SED-Staat. Partei, Staat und Gesellschaft 1949-1990", Hanser-Verlag, München 1998; "Der Preis der Einheit. Eine Bilanz", Hanser-Verlag, München 2000; "Rechtsextremismus und Jugendgewalt in Deutschland. Ein Ost-West-Vergleich", Schöningh-Verlag, Paderborn 2004. "Die veränderte Republik. Deutschland nach der Wiedervereinigung", Verlag Ernst Vögel, Stamsried 2006. "Soziales Paradies oder Stasi-Staat? Das DDR-Bild von Schülern", zus. mit Monika Deutz-Schroeder, Verlag Ernst Vögel 2008, "Das neue Deutschland. Warum nicht zusammenwächst, was zusammengehört", wjs-Verlag 2010. "Die DDR. Geschichte und Strukturen", Reclam 2011.

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Mittwoch, 30. März 2011

Damit es einfacher wird

...habe ich vor kurzem alle von mir selbst verfassten Texte - außer die Buchrezensionen (das versteht sich von selbst) - mit dem Lable "von mir" versehen. Gut, das Lable wird mir sicher keinen Grimme-Preis einbringen, aber das habe ich auch erst für mein 40. Lebensjahr vorgesehen. Haha.

So, viel Spaß weiterhin! Nutzen könnt ihr auch das RSS-Feed, dieses kleine orange Symbol ganz rechts in der Adresszeile eures Browers - zumindest bei Mozilla, Opera und IE -, dann bleibt ihr einfacher auf dem Laufenden, wann es hier neuen Lesestoff gibt.

Zur Zeit mache ich übrigens meine erste große Fortbildung, Manuelle Lymphdrainage, deswegen dauert es nun ein bisschen. Aber diese Woche auf jeden Fall noch etwas! ^^

Also, bis dann!

Mittwoch, 23. März 2011

Ach, Deutschland, Du Land der seltsamen Reflexe

Die Bundeskanzlerin scheint Landtagswahlen als Notstand zu interpretieren
Von Cora Stephan


Kürzlich schrieb ein Freund auf Facebook: "Ich schäme mich, ein Deutscher zu sein." Ich habe zugestimmt - das erste Mal seit langem. Was sich dieses Land im Moment an selbstbezogener Hysterie leistet, tut richtig weh.

Doch schlimmer noch ist der Opportunismus, mit dem die Politik darauf antwortet. Kanzlerin Merkel sieht mit großer Lässigkeit davon ab, dass eine Bundesregierung Verantwortung wahrzunehmen hat, die über Tagesinteressen weit hinausgeht. Denn Landtagswahlen sind kein Notstand, der alle Mittel rechtfertigt.

In Japan hat es eine Katastrophe gegeben, die bislang tausende von Menschenleben gekostet hat. In Libyen wird die Opposition von einem durchgeknallten Diktator rücksichtslos abgeschlachtet. Doch in Deutschland pflegt man die Landesspezialität, jene ich-bezogene "German Angst", mit der sämtliche Katastrophen der Welt auf das eigene kleine Selbst hochgerechnet werden. Abwägende Stimmen wurden in den Medien übertönt von "Aktivisten", die mit einem triumphierenden "Haben wir es nicht immer schon gesagt?" ihre gelben Luftballons schwenkten und den Ausstieg aus der Atomenergie fordern. Jetzt. Sofort. Weil man ja nun gesehen habe, wie gefährlich Atomkraft sei.

Man ist hierzulande offenbar noch immer gewohnt, in jeder Katastrophe, die anderen geschieht, den Vorboten des eigenen Untergangs zu erblicken. Zugegeben, das war zu Zeiten des Kalten Kriegs nicht ganz unrealistisch, als jeder kleine Funke den Weltenbrand auszulösen vermochte, der, so sahen es die Militärstrategen vor, über Deutschland niederregnen würde. Dieses Szenario erklärt vielleicht das besondere Verhältnis zum "Atom" und zum Krieg: die Deutschen sind nicht nur durch zwei Weltkriege, sondern auch durch das Atomkriegsszenario des Kalten Kriegs offenbar gründlich traumatisiert. Und schliesslich jährt sich in wenigen Wochen der Unfall von Tschernobyl zum 25. Mal. Auch die Panik von damals mag noch vielen in den Knochen sitzen.

Doch muss eine Regierung solchen Reflexen nachgeben, gar noch mit der Begründung, auch eine bloß gefühlte Gefahr erlaube den Bruch von Recht und Gesetz? Die sonst nicht entscheidungsfrohe Angela Merkel gab selbstherrlich dem gefühlten Volkswillen nach - und Außenminister Guido Westerwelle tat das Seine in Sachen Intervention in Libyen. Atom und Krieg - nicht mit uns.

Ach, besser als der Ruf nach "Abschalten aller AKW!" hätte uns zu Gesicht gestanden, wenn Demonstranten das sofortige Abschalten von Gaddafi skandiert hätten. Der Mann ist nicht nur gefühlt, sondern wirklich gefährlich. Stattdessen gibt sich Deutschland empfindsam. Im Wahlkampf mit Atom und Krieg in Verbindung gebracht zu werden, ist in der Tat tödlich - für die politische Karriere. So opportunistisch, so untertan dem angeblichen Wählerwillen hat sich eine Bundesregierung selten präsentiert.

Wir sollten uns das Hirn nicht vernebeln lassen. Energiepolitisch herrscht in Deutschland das selbstproduzierte Chaos. Erst subventionierte man die Atomenergie als saubere Alternative zu den fossilen Energieträgern, ohne Zukunftsprobleme wie Endlagerung gelöst zu haben und unter Vergesellschaftung der Kosten. Ähnlich verfährt man mit Solar- und Windenergie, wodurch längst ein gigantischer ökologisch-industrieller Komplex entstanden ist. Die Grundlast aber können diese Energiearten nicht bestreiten. Und da es dank der Grünen keine neuen Kohlekraftwerke mehr geben darf - auf der Basis des einzigen Energieträgers, von dem man in Deutschland halbwegs reichlich hat - wird man die nötige Energie importieren müssen. Von Nachbarn wie den Franzosen, die auch jetzt noch nicht daran denken, sich vor Atomkraft zu fürchten.

Ja, die Atomkraft ist eine Brückentechnologie, auf die wir sobald wie möglich verzichten sollten. Wo aber ist die Alternative? Auch nach dem Superwahljahr 2011 werden wir noch immer auf ein vernünftiges Energiekonzept warten, mit unabsehbaren Folgen für die zahlenden Bürger. Denn keine der Parteien ist damit bislang hervorgetreten. Wir werden sehen, welche Regierung die Atomkraftwerke demnächst wieder anschalten muss.


Dr. Cora Stephan, Publizistin, Jahrgang 1951, ist promovierte Politikwissenschaftlerin, arbeitet als freie Publizistin und schreibt unter dem Pseudonym Anne Chaplet Kriminalromane. Nach Büchern wie "Der Betroffenheitskult" und "Handwerk des Krieges" heißt ihre jüngste Veröffentlichung "Angela Merkel. Ein Irrtum", erschienen 2011 bei Knaus. Cora Stephan lebt in Frankfurt am Main

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Dienstag, 22. März 2011

Frauen gegen Frauen

Das unsolidarische Geschlecht
Von Simone Schmollack


Frauen können heute alles werden: Ingenieurin, Bankerin, Hausfrau, Aufsichtsrätin, Bundeskanzlerin. Eines können Frauen heute aber offensichtlich nicht: solidarisch sein. Solidarisch mit dem eigenen Geschlecht. Vor ein paar Monaten stritten sich Frauenrechtslegende Alice Schwarzer und Frauenministerin Kristina Schröder über die Deutungshoheit, was denn Feminismus sei.

Die gesamte Republik nahm Anteil am "Zickenzoff". Ein halbes Jahr später ist Kristina Schröder erneut eine Personalie im Geschlechterkampf, wieder ausgetragen von Frauen. Diesmal geht es um die Frauenquote für Führungspositionen. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen will eine 30-Prozent-Quote für Aufsichtsräte und Vorstände. SPD-Vize Manuela Schwesig fordert sogar 40 Prozent. Das alles will Kristina Schröder nicht, ihr schwebt eine sogenannte Flexi-Quote vor: Erst sollen Unternehmen freiwillig quotieren, und wenn das nicht klappt, müsse der Staat bestimmen.

Aber auch wenn Frauen nicht ganz so prominent sind, prügeln sie aufeinander ein. Bascha Mika zum Beispiel, die selbst ernannte Feministin und Ex-Chefredakteurin der "tageszeitung" in Berlin, bezeichnet Frauen, die lieber Kinder als Karriere machen, als feige, bequem und vermaust. Ihr Buch "Die Feigheit der Frauen" steht gerade auf der Spiegel-Bestsellerliste.

Und jetzt kommt auch noch Natasha Walter, eine britische Autorin, die sagt, Frauen wollen heute lieber über eine makellose Schönheit gewinnen als über ihren Intellekt. Ihr neues Werk "Living dolls" ist gerade auf Deutsch erschienen. Als Außenstehende wohnt man diesem Schauspiel etwas irritiert bei und fragt sich: Was soll das? Und vor allem: Stimmt das denn?

Mika und Walter haben zwar Recht mit ihrer Kritik an jenen Frauen, die sie im Fokus haben. Ja, es gibt Mütter, die sich hinter ihren Männern verstecken und sich im spießigen Eigenheim mit Kindern, Hund und Fitness-Gruppe einrichten. Von Karriere ist schon lange keine Rede mehr, von Erwerbsarbeit nur selten und dann höchstens als Teilzeit. Das ist vor allem dann ärgerlich, wenn es sich um junge, gut ausgebildete Akademikerinnen handelt, die vor ihrer Schwangerschaft glaubten, Feminismus sei so alt und so überflüssig wie Alice Schwarzer. Sie nämlich seien längst gleichberechtigt und hätten das "Gedöns" gar nicht mehr nötig.

Aber das ist nicht die Mehrheit. Die meisten Frauen heute wollen Karriere und Kinder, einen Mann und ihre Unabhängigkeit, vor allem finanziell. Und dann gibt es da auch noch all jene Frauen, die sich diesen unemanzipierten Plüsch-Luxus erst gar nicht leisten können: Alleinerziehende, Beschäftigte im Niedriglohnsektor, Teilzeitkräfte wider Willen.

Warum dann also dieses Frauenbashing? Werden Frauen davon klüger, schöner, kompetenter, leistungsbereiter? Vermutlich nicht. Eher sind sie beleidigt. Schon wieder so eine, die es geschafft hat und die es jetzt besser weiß, werden sie sagen. Und dann tun sie das, was sie sonst auch tun: sich vermausen und rosa anziehen.

Es ist leider so: Frauen arbeiten oft gegen- statt miteinander. Sie haben es immer noch nicht gelernt, Bündnisse zu schmieden, auch wenn ihnen eine Mitstreiterin mal nicht passt. Stattdessen wird genau geschaut, welche Fehler sie macht. Und die werden dann genüsslich ausgeschlachtet. Das ist unprofessionell, politisch ungeschickt und zutiefst frauenfeindlich.

Die erste Frauenquote in einem deutschen Dax-Unternehmen hat ein Mann eingeführt. In Norwegen war es ebenfalls ein Mann, der die Quote festlegte. In Frankreich und in Schweden gehen Mütter selbstverständlich arbeiten und Väter in Elternzeit. Und was machen die Frauen in Deutschland? Sie keifen - sich gegenseitig an.

Simone Schmollack, geboren 1964 in Berlin, ist Redakteurin bei der "Tageszeitung" in Berlin und Autorin zahlreicher Bücher, darunter "Kuckuckskinder. Kuckuckseltern", "Deutsch-deutsche Beziehungen. Liebe zwischen Ost und West" und "Damals nach der DDR. Geschichten von Abschied und Aufbruch". Sie beschäftigt sich vor allem mit Themen an der Schnittstelle von Politik, Wirtschaft und Privatheit. Sie studierte Germanistik, Slawistik und Journalistik in Leipzig, Berlin

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Montag, 21. März 2011

Auf dem Abstellgleis

Die Deutsche Bahn und ihre 175-jährige Geschichte
Von Stephan Speicher


Im Dezember letzten Jahres konnte die Eisenbahn in Deutschland ein Jubiläum feiern: Vor 175 Jahren, am 7. Dezember 1835, begann der Betrieb auf der Ludwigsbahn zwischen Nürnberg und Fürth. Die Deutsche Bahn hat auch manches unternommen, das Jubiläum zu begehen. Aber hat man was davon bemerkt?

Nun fällt auf einem Bahnhof heute ja ohnedies nicht leicht der Blick auf das, was die Bahn betrifft. Die besten Plätze nimmt die Werbung ein, nach dem Fahrplan muss man suchen. Die Bahn versteckt sich. Seit ihrer Privatisierung - vielleicht ändert es sich unter dem neuen Vorstand gerade wieder, man weiß es noch nicht genau -, seit ihrer Privatisierung hat sie sich nicht mehr als ein Unternehmen verstanden, das Eisenbahnverkehr betreibt und dies mit Gewinn. Sie wurde zu einem Unternehmen, das Gewinnerzielung betreibt und dies nun mal mit der Bahn.

Auf jeder Fahrt mit dem ICE wird einem das unter die Nase gerieben. Der Speisewagen - das Wort erinnerte daran, dass dieses Verkehrsmittel rollt - wurde zum Bordrestaurant auf- oder eher heruntergeputzt. Nach jeder Station wird man aufs Neue "an Bord" begrüßt, als sitze man im Flugzeug. Aber während die Fluggäste tatsächlich zwischen Start und Landung alle gemeinsam unterwegs sind und eine gefühlte Gefahrengemeinschaft bilden - die Sicherheitshinweise machen das ja vor jedem Start klar - ist die stetige Begrüßerei im Zug widersinnig.

Wer von Bochum nach Mannheim fährt, der hat schon viermal den Namen des "Zugchefs" und viermal von den Spezialitäten des "Bordrestaurants" gehört, bevor auch nur Köln erreicht. Es ist eine dauernde Unruhe aus bloßer Wichtigtuerei. Die Schaffner hassen es genauso wie die Fahrgäste. Der Vorstand der DB Fernverkehr AG aber scheint die Prozedur zu lieben. Man kann es hören und greifen, wie wenig er verstanden hat, was es bedeutet, eine Eisenbahn zu betreiben. Die technischen Ausfälle der letzten Jahre hatten ja darin offenbar ihren Grund: in einem Rationalisierungswillen, der über die technischen Erfordernisse schneidig hinwegging.

Und was bedeutete die Bahn nicht einmal! Aufs engste war sie mit der Entstehung des Nationalstaats verknüpft. Sie fuhr ihm voran, verband die Teile des Landes und einigte es - ganz praktisch. Bis zum Aufkommen der Eisenbahn hatte jede deutsche Stadt ihre Ortszeit. Schlug es in Magdeburg 12 Uhr, so war es in Köln noch nicht so weit. Erst die Fahrpläne der Eisenbahn erzwangen die Synchronisierung. Die Bahn trieb die Entstehung größerer Wirtschaftsräume voran, diese politisch, administrativ, rechtlich zu gestalten war eine Hauptaufgabe der Nationalstaaten. Kein Zufall, dass schon 1873, zwei Jahre nach der Reichsgründung, das Reichseisenbahnamt entstand.

Die Bahnhöfe dieser Zeit wurden als Zierden der Städte angelegt wie vormals Kirchen und Rathäuser, sie waren Treffpunkte der Bevölkerung. In der Schwundstufe konnte man das bis in die 1970er Jahre beobachten. Die damals sogenannten Gastarbeiter fanden sich sonntags in den Bahnhofshallen zusammen wie auf einem Forum des industriellen Zeitalters. Noch in Jonathan Franzens Roman "Korrekturen" aus dem Jahr 2001 ist der Niedergang der amerikanischen Eisenbahnen ein Zeichen des Zerfalls der Gesellschaft.

Die Privatisierung der Bahn und der geplante Börsengang sind deshalb interessant, weil dadurch ein Instrument der Vergesellschaftung den individuellen Interessen geöffnet wird. Das ist äußerst unpopulär; ob es in absehbarer Zeit eine Regierung wagen wird, die Bahn wirklich an die Börse zu bringen, ist ungewiss. Ganz so einfach sollten wir Bürger es uns mit der Empörung aber dann auch wieder nicht machen. Als Reisende haben wir die Vorteile der wirtschaftlichen Liberalisierung mit beiden Händen ergriffen. Wo die Bahn in Konkurrenz zu den billigen Fluglinien steht, haben wir uns, preissensibel wie wir sind, gern für den Flug entschieden. Den Rationalisierungsdruck übt nicht allein der Kapitalmarkt aus. So dürfen wir von der Bahn gesellschaftlich nicht mehr erwarten als wir, die Individuen, umgekehrt der Gesellschaft zu geben bereit sind.


Stephan Speicher, Jahrgang 1955, studierte Rechtswissenschaften, Geschichte und Germanistik in Münster und Bonn. Nach einigen Jahren als wissenschaftlicher Angestellter für Neuere Germanistik an der Universität Wuppertal wechselte er in den Journalismus. 1991/92 war er Redakteur des Berliner Tagesspiegels, 1992 - 1996 der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, 1996 - 2007 bei der Berliner Zeitung. Seit 2008 arbeitet er für die Süddeutsche Zeitung.

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Donnerstag, 17. März 2011

Nicht schweigen, sondern reden über die deutsch-türkisch-islamische Identität!

Wer verneint, dass der Islam hierzulande dazugehört, beschwört die Leitkultur
Von Hakan Turan


Deutschlandweit entstehen Lehrstühle für islamische Theologie und Islamunterricht wird als ordentliches Lehrfach eingeführt. Während dessen streiten sich unsere Spitzenpolitiker in regelmäßigen Abständen darüber, ob denn der Islam nun ein Teil deutscher Kultur sei oder nicht. Eigentlich sollte die Frage heute eher lauten, in welchem Sinne, und weniger, ob er ein Teil Deutschlands ist.

Wer verneint, dass der Islam hierzulande dazugehört, beschwört meist eine Leitkultur oder eine kulturelle Identität, in der allein Platz für urdeutsche und christliche, keinesfalls aber für muslimische Elemente ist. Gleichzeitig wird die Rolle des Islams bei Integrationsproblemen oft maßlos überschätzt. Die Botschaft lautet: Ohne Islam wäre alles viel besser in Deutschland. Eine solche Botschaft bleibt freilich nicht folgenlos.

Nicht nur religiöse, sondern auch liberale und säkulare Muslime empören sich und suchen zunehmend Halt in ihrer vermuteten eigenen kulturellen Identität. Unter dem Eindruck der Integrationsdebatte festigt sich auch bei ihnen der Eindruck, dass der Islam die Grenze zwischen Deutschen und beispielsweise Türken markiere. Aber ist das wirklich so?

Es scheint unbemerkt geblieben zu sein, dass gerade die junge Generation von Muslimen längst eine starke deutsche Teilidentität besitzt. Aber selbst diese jungen Muslime sind sich dessen oft nicht bewusst. Dabei sprechen sie in der Regel wesentlich öfter und besser deutsch als beispielsweise türkisch. Auch die Erwartungen an das Leben nehmen selbst in religiösen Kreisen immer mehr Formen an, die eher für die deutschstämmigen Bürger typisch sind: das immer höhere Heiratsalter von Männern wie Frauen, der Rückgang der Geburtenrate oder der Wunsch der Frauen nach beruflicher Erfüllung und gleichberechtigter Partnerschaft.

Ja, sie sind meist religiöser als ihre deutschstämmigen Nachbarn, aber sie gehen mit ihrer Religion zugleich sehr pragmatisch um - auf eine Weise, die durchaus deutsch geprägt ist. Die Praxis ist hier also der Theorie zuvorgekommen. Die neuen theologischen Lehrstühle sind nur die Spitze des Eisberges einer zunehmend deutschen Lesart des Islams. Auch im Alltag verschieben sich Prioritäten und liberalere Denkweisen setzen sich durch, insbesondere auch in frommeren Kreisen.

Da eröffnen beispielsweise Frauen, die ein Kopftuch tragen, eine eigene Arztpraxis oder Anwaltskanzlei. Woanders arbeiten praktizierende Muslimas ohne Kopftuch im Management. Und es gibt muslimische Männer, die sich für die Theorie der Koranauslegung ebenso interessieren wie für Heavy-Metal-Musik und abendländische Philosophie.

Es greift eindeutig zu kurz, hier von einer nur oberflächlichen Anpassung zu sprechen. Auch ist es ein Vorurteil, dass es sich um irrelevante Ausnahmen von der unintegrierbaren Masse handele. Vielmehr finden wir hier weit verbreitete, oft im Stillen ausgelebte neue Identitätskonzepte vor. Besonders häufig sind dabei deutsch-türkisch-islamische Synthesen. Diese Konzepte gemischter Identitäten müssen als solche erkannt, verstanden und gefördert werden. Denn sie sind der der natürlichste Weg zu einer emotionalen Identifikation mit Deutschland.

Die muslimischen Migranten haben bei dieser Synthesearbeit einen weiten Weg zurückgelegt. Ohne die Unterstützung der Deutschen wäre dies nicht möglich gewesen. Leider ist der öffentliche Diskurs oftmals blind für diese Erfolge. Stattdessen werden undifferenziert Klischees bedient und ein zunehmend kämpferischer Ton angeschlagen. Die Enttäuschung zahlloser hervorragend integrierter Muslime ist da nur verstehbar.

Aber vielleicht ist ja gerade jetzt der richtige Zeitpunkt für sie aufzustehen und ihre Zugehörigkeit zu Deutschland zu verteidigen - und sich so zu ihrer eigenen deutschen Identität zu bekennen. Das wäre eine Bewährungsprobe für so etwas wie die deutsch-türkisch-islamische Identität. Der Erfolg würde jedoch nicht nur von der Selbstüberwindung der Muslime, sondern auch von der Aufgeschlossenheit der Mehrheitsgesellschaft abhängen.


Hakan Turan, Jahrgang 1979, studierte Diplom-Physik, Mathematik und Philosophie in Stuttgart und Tübingen, ging in den Schuldienst und arbeitet derzeit als Studienrat in Stuttgart. Er engagiert sich für die Themen Integration und interkulturelle Öffnung, unter anderem im Stuttgarter Projekt "Migranten machen Schule". Als Autor schreibt er für Lehrerzeitschriften und verfasst Essays über "Islam und Moderne" auf seinem Blog www.andalusian.de.

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