Dienstag, 7. August 2007

Paris - ein Fest fürs Leben


M
it den Anglern und dem Leben auf dem Fluss, den schönen Lastkähnen mit ihrem eigenen Leben an Bord, den Schleppern – mit ihren Schornsteinen, die sich zurücklegten, um unter den Brücken hindurchzukommen –, die eine Reihe von Kähnen zogen, den großen Ulmen an den steinernen Ufern des Flusses, den Platanen und an manchen Stellen den Pappeln, konnte ich mich niemals am Fluß einsam fühlen. Mit so vielen Bäumen in der Stadt konnte man Tag für Tag den Frühling kommen sehen, bis ihn eine Nacht mit warmem Wind plötzlich eines Morgens brachte. Manchmal schlugen ihn die kalten, schweren Regenschauer zurück, so daß es schien, als ob er nie kommen würde, und daß du eine Jahreszeit aus deinem Leben verlorst. Das war die einzige wirklich traurige Zeit in Paris, weil sie unnatürlich war. Man rechnete damit im Herbst traurig zu sein. Ein Teil von dir starb jedes Jahr, wenn die Blätter von den Bäumen fielen und die Äste kahl gegen den Wind und das kalte, winterliche Licht standen. Aber du wusstest, daß es immer wieder Frühling werden würde, genau wie du wusstest, daß der Fluß, nachdem er zugefroren war, wieder fließen würde. Wenn die kalten Regenschauer anhielten und den Frühling töteten, war es, als ob ein junger Mensch ohne jeden Grund gestorben war.

In jenen Tagen jedoch kam der Frühling schließlich immer, aber es war beängstigend, dass er beinahe ausgeblieben war.
(Kapitel: „Menschen an der Seine“. Rechtschreibung und Satz wie im vorliegenden Werk, siehe unten.)


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Sonntag, 5. August 2007

Der Liebesbeweis


D
ie Frau, die mehr als fünfundzwanzig Jahre lang meine Ehefrau war, hat sich gestern nachmittag erschossen.
Jedenfalls nimmt die Polizei das an, und ich spiele die Rolle des trauernden Witwers mit Begeisterung und Erfolg. Das Leben mit Sarah hat mich im Selbstbetrug geschult; und ich finde das ein ausgezeichnetes Training für die Täuschung anderer. Ich weiß natürlich, daß sie es nicht getan hat. Meine Frau war viel zu normal, zu sehr im Hier und Jetzt verwurzelt, um daran zu denken, sich selbst etwas anzutun. Meiner Meinung nach hat sie an das, was sie damals getan hat, nie einen gedanken verschwendet. Sie war unfähig, Schuld zu empfinden.
Ich war es, der sie getötet hat.

Es geht nicht um die Auflösung eines Mordfalles; denn das erfährt man schon in den ersten Sätzen, sondern um die Frage, wie es dazu kommen konnte. James Ferrell blickt zurück auf die Jahre, als er noch ein junger Mann Anfang zwanzig war. Erzählt von seiner Liebe zur Musik und seinem Traum eine Karriere als Musiker zu machen. Oft erzählt James von "dem jungen Mann", der er damals war.

Eines Tages trifft er im Park die junge Ella, reiche Tochter der Familie Harcourt. Nach einem kurzen, aber um so einprägendem Gespräch, verliebt er sich in die geheimnisvolle Frau. Einige Zeit später begegnet James ihr auf einer Feier seiner Freundin Camilla und erfährt, dass sie einen Mann heiraten soll, den sie aber gar nicht liebt. Doch das Schlimmste ist, dass sie selbst daran Schuld ist! Wie man James später erfährt, hat sie Charles ihrer Cousine Sarah ausgespannt.
Ella ist sich unsicher über ihre Gefühle für einen Mann, mit dem sie praktisch zwangsverheitratet werden soll. In langen Gesprächen mit James über ihre Gefühle, stellen beide fest, dass sie sich in einander verliebt haben. Der Bericht über die Veranlagung zum Selbstmord ihrer weiblichen Vorfahren kommt Ella recht, um sich aus der Hochzeitsschlinge mit Charles zu ziehen und trennt sich unter dem Vorwand, besorgt um sich selbst zu sein.
Kaum sind James und Ella vereint, muss James nach Prag um dort seine Musikerkarriere voran zu bringen.

Der Liebesbeweis ist ein Roman, eine einfache Geschichte über Liebe und Eifersucht, die einige Leser schon fast an einem Schundroman erinnern mag. Aber wer dieses Buch gelesen hat wird verstehen, dass es sich hier um einen bewegenden Liebesroman, eine perfekte Kriminalgeschichte und eine Biographie eines interessanten Mannes handelt. Es geht um Vertrauen, Eifersucht und den Kampf um Liebe und Ansehen. Die 34 Kapitel des Werkes sind in einer sehr poetischen Sprache, mit zahlreichen Sprachbildern geschmückt, geschrieben. Man mag vielleicht auch an die Ausdrucksweise von Romanen aus früheren Zeiten erinnert sein – großes Lob für den jungen Autor.

Seit Süskinds Das Parfum gab es kaum ein Buch, dass so liebevoll geschrieben, so leidenschaftlich erzählt und dessen mordender Protagonist dem Leser so sympathisch ist, wie James Ferrell im Liebesbeweis. Für alle Freunde von Homoliteatur – so auch für mich (Mein Gott, war ich damals überrascht!) – gibt es auch noch ein besonderes SchmanKerl in Gestalt von Eric, einem in sich gekehrten, verletzlichen, schwulen Pianist.

Die einzigen Mankos des Romans mögen vielleicht sein, dass Richard Mason seine Leserschaft mit einem traurigen Haufen von Verlierern zurücklässt. (Doch obwohl ich das Buch vor einem Jahr gelesen habe, kann ich mich nicht erinnern, enttäuscht gewesen zu sein. Viel mehr blieb die Frage zurück, ob James Ferrell wirklich das perfekte Verbrechen begangen hat, oder ob die Polizei ihm dann doch auf die Schliche gekommen ist.) Und dass das Geschehen um Ella und Sarah etwas verwirrend für den größten Teil der Leser sein mag. Doch Durchhalten lohnt sich. Nicht auch zuletzt, da das Buch in der Ich-Perspektive verfasst wurde, die ich einfach liebe.

Ganz egal, dieses Buch ist und bleibt mein Lieblingsroman! Gefüllt mit wundervollen Gedanken und Betrachtungen: »Ohne zu denken, ohne zu sehen, ohne zu wissen, trieb ich durchs Leben bis ich Ella traf. (...) Sie war es, die mich ins Meer des Lebens warf. (...) Sie war es, die mich zum Schwimmen brachte, sie schubste mich aus der Sicherheit des seichten Wassers...«, in denen ich mich manchmal selbst wieder finde – auf der Suche mach meinem Ello...


Richard Mason - Der Liebesbeweis (2000)

Titel der Originalausgabe :
The Drowning People
Aus dem Englischen von Elfriede Peschel
Verlag: Ullstein Tb
Gebundene Ausgabe, 416 Seiten
ISBN: 3548249701