Montag, 28. Februar 2011

Partnersuche im Internet

Von Martin Tschechne

"Jemand wartet auf Dich." In grauen Zeiten und so lange kein Frühling in Sicht ist, vermittelt die Botschaft von der Plakatwand einen kleinen Wärmestoß. Die Blumenhändler und Bonbonverkäufer haben Konkurrenz bekommen. Eine neue Branche geht in die Offensive. Bislang hat sie sich ohne allzu große Öffentlichkeitskampagnen eher leise entwickelt.

Aber jetzt ist die Zeit reif für das Geschäft mit der Liebe selbst, nicht mit Symbolen und Accessoires: Die Vermittlung von bindungsbereiten, Bindung suchenden Frauen und Männern online und gegen Gebühr ist ein Markt, auf dem schon heute Millionen bewegt werden. Millionen von liebesbedürftigen Menschen, wohlgemerkt. Sagt das etwas aus über die Natur unserer Beziehungen? Hat sich da etwas geändert?

Die Geschäftsidee ist genial, weil genial einfach: Wenn Millionen von Menschen sich den größeren Teil ihrer wachen Zeit über im Internet bewegen, so werden sich die Begründer der so ungemein erfolgreichen Partner-Vermittlungs-Börsen gedacht haben, wenn sie dort Bücher bestellen, Lebensmittel einkaufen, Zeitung lesen und ihre Meinung verbreiten - dann könnten sie im Netz doch auch auf ihren Partner fürs Leben stoßen. Mit höherer Wahrscheinlichkeit jedenfalls als nach der traditionellen Methode auf dem Feuerwehrfest, im Wochenmarkt oder beim Sonntagsspaziergang nach der Kirche.

Was die Geschäftsidee so attraktiv macht, ist das Versprechen, es mit den neuen, auf psychologischer Erkenntnis beruhenden Methoden besser zu machen, sicherer und verlässlicher, als es früher möglich war. Früher war da viel Zufall im Spiel: die zufällige Begegnung, der Charme eines Augenblicks, der Blitz aus heiterem Himmel. Man sprach dabei von Romantik, von Schmetterlingen im Bauch.

Aber Zufall bedeutet ja auch Unsicherheit: Wer weiß schon, ob sich hinter dem so verführerischen Äußeren nicht eine Zicke verbirgt oder ein übler Stinkstiefel? Das Produkt dagegen, für das so verlockend geworben wird, ist so eine Art Partnerschaft mit Versicherungspolice. Das sagt natürlich eine Menge aus - noch nicht sofort über die Natur unserer Beziehungen, aber ganz gewiss etwas über die kleinlaute Natur unserer Befürchtungen: Bitte, lass mich nicht an den Falschen geraten!

Um das zu verhindern, füllt der liebesbedürftige Mensch an seinem Laptop einen umfangreichen Fragebogen aus. Je umfangreicher, so wird ihm nahelegt (suggeriert), je ehrlicher und freigiebiger er mit der Auskunft über sich selbst ist, desto besser wird sein zukünftiger Partner zu ihm passen. Denn der hat ja auch offen und freigiebig preisgegeben, was einmal als Fundament einer lebenslangen Beziehung dienen soll: Bildungsstand und berufliche Situation, Weltanschauung, sexuelle Orientierung und die allgemeine Struktur seiner Persönlichkeit. Hat dann auf "enter" geklickt und alles in die Datenbank des Unternehmens anvertraut.

Zehn Millionen solcher Datensätze liegen allein auf dem Server des Marktführers. Und die Konkurrenz ist zahlreich, die verspricht, Partner mit Niveau und Bildung an Suchende mit Niveau und Bildung zu vermitteln. Akademiker bevorzugt. Wenn man alle zusammenrechnet, nur die Kunden der vier, fünf Großen der Branche, dann dürfte eigentlich kaum ein Deutscher im bindungsfähigen Alter - außer Ihnen und mir versteht sich - seine intimsten Daten noch nicht in den Computern der Online-Partner-Vermittlungs-Agenturen abgelegt haben. Dort werden sie treu und redlich gehütet. Hoffentlich!

Der Erfinder des Verfahrens aber, ein würdiger Psychologe aus Hamburg, ein Forscher reinsten Wassers, schöpft hin und wieder aus diesem Ozean an Daten - natürlich anonym und ohne Ansehen der einzelnen Person - und analysiert, was sich so tut auf der Beziehungsebene. Und was findet er heraus? Das ist beinahe paradox. Dass die moderne Partnerschaft keineswegs so haltbar und so dauerhaft ist, wie es die traditionellen waren. Die nämlich, die beim Feuerwehrfest oder auf dem Sonntagsspaziergang ihren Anfang nahmen.


Dr. Martin Tschechne ist Journalist und lebt in Hamburg. Er promovierte als Psychologe mit einer Arbeit zum Thema Hochbegabte. Zuletzt erschien seine Biografie des Begabungsforschers William Stern im Verlag Ellert & Richter (herausgegeben von der ZEIT- Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius).

(c) Deutschlandradio Kultur, Politisches Feuilleton (bearbeitet: Sendefassung)

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