Freitag, 28. Februar 2025

Der letzte Mensch #4

Diese Nacht gehört definitiv zu den unruhigsten, die ich bisher hatte - und so viele waren das nicht. Nachdem mich gestern die Dunkelheit angeknurrt hatte, bin ich schleunigst rein. Ich hab auch gleich das Licht ausgemacht. Keine Ahnung, was das war, aber begegnen will ich dem Verursacher niemals!
Drinnen hab ich ihn aber auch nicht mehr gehört. Ich hab mich dann ins Bett gelegt, aber ich hatte zu viel Adrenalin im Blut und immer, wenn ich das Gefühl hatte, dass ich mich durch ruhiges Atmen wirklich etwas beruhigt hatte, schloss mir eine neue Welle der Angst durch die Knochen. Ich muss mehr als die halbe Nacht so verbracht haben. Minutenlang still in einer Position, bis ich so nicht mehr liegen konnte. Manchmal drehte ich mich jede Minute auf eine andere Seite. Auch mich fest in die Bettdecke einzuwinkeln brachte keinen Effekt. (Normalerweise hilft das.) Von wegen man hat nur eine bestimmte Menge Adrenalin, das der Körper ausschütten kann! Ich dachte, das hört gar nicht mehr auf.
Irgendwann bin ich dann eingeschlafen. Aber Schlaf kann man das nicht nennen und auch nicht erholsam. Ständig bin ich wieder aufgewacht. Um sieben Uhr riss mich dann der Wecker aus einem doch überraschend tiefen Schlummer. Nach einem kurzen Moment der Orientierungslosigkeit holten mich die Erinnerungen der vergangenen Stunden wieder ein.
Was mache ich jetzt? Ich hatte ein leichtes Hungergefühl, aber irgendwie drückte es mir gleichzeitig auf Magen, Lust aufs Essen hatte ich nicht. Starten wir also erstmal mit einem Kaffee.
Während der durch die Maschine lief und zwei Toastscheiben im Toaster steckten, ging ich nochmal auf den Balkon. Vögel zwitscherten. Kein Rauschen von Autoreifen auf der nahegelegenen Straße. Kein Rasenmähergeräusch. Keine Nachbarn, die ihren Pool reinigten. Ich schlug mit der Außenseite meines Knies gegen die Balkonbrüstung, wieder vibrierte sie laut, aber kein Pfauenschrei, kein Knurren.
Das bedeutete, dass es wohl relativ sicher wäre, mir nachher die Umgebung anzusehen. Ich ging wieder rein, aß mit kaum vorhandener Lust mein Frühstück und begann mich dann für die Umgebungstour fertigzumachen.
Als erstes fuhr ich mit dem Fahrrad zum Landschaftspark Rudow-Altglienicke, dann bin ich raus nach Schönefeld gefahren und habe den Flughafen überprüft und danach ging es nochmal zurück nach Rudow, aber am U-Bahnhof, in Alt-Rudow und auch die Neuköllner weiter hoch war kein Mensch zu entdecken.
Würde es Sinn machen, weiter in die Stadt reinzufahren? Was sollte das bringen? Und wie sollte ich einen zweiten Überlebenden oder eine Überlebende in den unzähligen Straßen dieser Millionenstadt ausfindig machen? Das Terrain war viel zu groß und viel zu unübersichtlich. Hätte ich einen Pilotenschein... Haha, schön wär's!
Also, wohin sollte ich jetzt noch fahren? Berlin ganz ohne Menschen erkunden, wäre schon irgendwie cool. Aber in Anbetracht der Situation verging mir die Lust im selben Augenblick, wie mir der Gedanke gekommen war. Ich beschloss nach Hause zurückzufahren und zu recherchieren... Was genau, das wusste ich noch nicht. Aber ich sollte den Strom nutzen, solange noch welcher produziert wurde.
Momentmal, wie lange passiert das überhaupt? Und wann geraten die Kraftwerke außer Kontrolle? Wann kommt es in den Atomkraftwerken zur Kernschmelze und damit zu einer unkontrollierbaren Katastrophe? Nicht, dass ich daran irgendwas ändern könnte, aber ich müsste gegebenenfalls irgendwo Schutz suchen und das wäre gewiss nicht in einer Wohnung im ersten Stock. Himmel, wo sollte ich hin? 

Donnerstag, 27. Februar 2025

Der letzte Mensch #3

Ich hab mal ein paar Hashtags ausprobiert, sowas wie #EmptyWorld oder so, aber nix Aktuelles. Nur der übliche (wahrscheinlich vorprogrammierte) Müll, den man, ...also ich im Social Media so finde... Kein echter neuer Content von echten Menschen. Wie mir scheint, bin ich der einzige noch existierende Content Creator auf der Welt.

Ich muss euch ja noch erzählen... also für später aufzeichnen, was weiter passiert ist:
Ich stand also hinter meiner Tür, hatte den Kopf ans Türblatt gelegt, atmete heftig und lauschte in die Stille hinein. Nichts. Kein verdächtiger Laut. Nicht im Treppenhaus und zum Glück auch nicht in meiner Wohnung. Nur die tickende Uhr im Wohnzimmer und das Brummen des Kühlschranks in der Küche. Nach ein paar Sekunden hob ich den Kopf und gucke durch den Türspion. Es war wohl keiner hinter mir gewesen. Das Gefühl des gejagt-Seins klang langsam in mir ab. Ich kannte es noch aus Kindertagen, wenn ich mit anderen Verstecke (oder was anderes) gespielt habe, und mich schnell auf die Suche nach einem guten Versteck machen musste. So eine ganz seltsame Panik, die mich da begleitet hatte. Das hier war aber keine zu realistisch gewordene Kinderfantasie, die sich in die Wirklichkeit gedrängt hatte, das hier WAR die Wirklichkeit.
Ich ließ meine Tasche von der Schulter gleiten und ging in mein Wohnzimmer und schaltete das kleine Licht hinter der Couch an. So war es schon etwas besser. Okay, was war hier los? Ich griff zur Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein. Auf einem der Dauer-Nachrichtensender muss doch irgendwas sein. Über sieben Milliarden Menschen können doch nicht einfach so verschwinden! Während ich durch die Programme zappte, rief ich nochmal zu Hause an, diesmal auf dem Festnetz. Es tutete. Die Leitung war frei. Nach dem siebten Tuten legte ich auf. Die Panik kehrte zurück.
Da endlich: ein Nachrichtensender!
Ich blickte in ein leeres Nachrichtenstudio.
Wie absurd! Das automatisierte System hatte von der letzten Sendung ins Nachrichtenstudio geschaltet, aber da die Menschen fehlten, passierte nichts. Ich starrte ins leer Studio, das, einige hundert Kilometer von mir entfernt, irgendwo in Deutschland lag.
Ungläubig schaltete ich zum nächsten Sender. Eine Doku über Wasservögel. Toll. Vier Sender weiter sah ich aber den gleichen Anblick. ein menschenleeres Nachrichtenstudio. Nervös schaltete ich den Fernseher aus.
Ob ich auf meinem Balkon etwas entdecken kann? Ich ging raus und blickte in die Nacht. In den anderen Wohnungen war nichts zu erkennen. In einer brannte noch das Licht. Die anderen waren schon dunkel.
Das schaue ich mir morgen mal an. Vielleicht ist das nur ein Traum. Sowas Bescheuertes kann sich nur mein Hirn ausdenken. Ich schlug heftig gegen die Brüstung. Das Metall klapperte und vibrierte kurz und ich merkte den Schmerz, den der Aufprall meiner Hand verursachte. Kein Traum. Leider.
Aus dem Dunkel drang ein Geräusch an mein Ohr. Es klang wie eine schreiende Katze. Oder wie ein Pfau - ja, ein Pfau! Seltsam, den hatte ich vorher noch nie gehört. Dabei ist der Ruf doch so markant. Der Pfau schrie nochmal durch die Nacht. Dann raschelte etwas im Gebüsch oder in den Bäumen, die im Garten unseres Wohnkomplexes standen. Ich nahm mein Handy wieder in die Hand und schaltete die Taschenlampe an. Das Licht viel auf den Rasen des Gartens. Ich leuchtete umher, sah aber nichts. Auch in den Bäumen konnte ich nicht wirklich etwas entdecken. Aber jetzt hörte ich ein tiefes Knurren. Und es klang überhaupt nicht freundlich.

Mittwoch, 26. Februar 2025

Der letzte Mensch #2

Das dürfte dann jetzt also der Beweis sein: ich bin tatsächlich allein auf der Welt. Facebook zeigt mir zwar noch neue Postings an, aber es passiert keine Interaktion mehr. Null Likes überall. Und Postings von Unternehmen lassen sich ja auch programmieren, wann sie veröffentlicht werden sollen.
Keine Ahnung, da werden meine Posts wohl auch erstmal ne kleine Zeit "untergehen". Irgendwie hoffe ich ja schon, dass sich hier noch jemand melden wird, aber...
Aber nach gestern und heute dürfte der Fall eigentlich klar sein. Ich stand gestern also auf dem menschenleeren UBhf. Rudow. Mit jeder Minute hätte ich mir fast noch mehr in die Hosen gemacht. Die Fahrerkabine war auch leer. Also bin ich die Treppen hoch. Und auch oben war niemand. Zwei Busmotoren waren noch zu hören. Aber kein Mensch! Verdammt nochmal: kein Mensch! Wo sind die alle?
Dann nahm ich mein Handy aus der Hosentasche und hab zu Hause angerufen. Natürlich ging keiner ran. Nicht auf den Handys meiner Eltern, meiner beiden Geschwister nicht. Ich hab dann ein paar Nummern wahllos angerufen... Bei Nina, bei Johannes, bei Dominique, bei Andreas, bei... ist ja auch egal. Keiner ist keiner...
Währenddessen lief ich auf der „Spinne“ umher. Es war auch keiner am im Dönerladen, aber alles offen und hell erleuchtet. Sogar der Fleischspieß drehte sich munter um die eigene Achse.
Ich wurde panisch und bin die Waltersdorfer runtergerannt. Erstmal nach Hause!
Nach 200m war aber schon Schluss. Ich hab leider keine Kondition für sowas. Schnaufend und keuchend bin ich weiter. Alles war still. Stiller als sonst, wenn ich um diese Zeit durch die Stadt laufe. Rudow ist ja ein "Dorf" in Berlin, aber so still ist es nie!
Hinter der Kreuzung Neuhofer Str. entdeckte ich ein Auto, dessen Alarmanlage laut vor sich hin hupte. Es stand ziemlich schräg am Straßenrand dahinter sah ich ein zweites Auto, das in das erste reingefahren war. Was war hier nur los? Auch hier keine Menschen.
Ich lief wieder etwas schneller, vorbei an dem Grundstück mit dem Ski-Zaun, dann nach rechts um die Kurve. Nur noch hundert Meter!, ging es mir durch den Kopf. Die Zauntür quietschte wie immer. Ich rannte den Weg runter, schloss die Haustür auf und stürmte die Treppe hoch. Ich wurde von dem Gefühl gejagt, als ob mich etwas jagen würden. Kennt ihr bestimmt, oder? Und dann wollte der doofe Schlüssel nicht ins Schloss. Reiß dich zusammen! Endlich ging die Tür auf!
Ich machte sie gerade soweit auf, dass ich durchschlüpfen konnte und drückte sie wieder zu und schloss von innen ab. Sicher! Hoffentlich...

Der letzte Mensch #1

Okay, jetzt wird das Ganze wirklich! gruselig!!! Und wenn es sich als tatsächlich herausstellt, dann ist das, was ich hier gerade mache, eigentlich völlig bekloppt... wäre aber auch nicht das erste Mal, dass ich etwas Beklopptes mache...


Also zur Sache: Ich war gestern Abend noch mit Nina im Kino, wir haben uns einen spanischen Film angeschaut über eine Frau, die Probleme mit ihrer Vergangenheit hat. Eigentlich war der auch gar nicht so schlecht. Danach haben wir draußen noch ein wenig über den Film gequatscht und sind dann wieder jeweils zu uns nach Hause gefahren. Ich zumindest.
Die Fahrt mit der U7 war jedenfalls auch noch okay und ganz normal. Die üblichen Irren auf der Linie und ein, zwei betrunkene Halbstarke. Nichts, was nicht zu überstehen war. Gut 22 Min. später fahren wir wie gewohnt in den U-Bhf. ein. Mit mir waren noch 3 andere Fahrgäste im Wagen. Wir stehen alle auf, gehen zur Tür - ich stand allein an der hinteren Tür. Die Tür geht auf und als der schwarze Gummi vor mir auseinandergleitet und den Weg frei gibt und ich aus dem U-Bahn-Wagen trete, bin ich plötzlich allein!!!! Und scheinbar AUF DER VERDAMMTEN GESAMTEN WELT!!!!!!!!!!!!!

Wenn das hier jemand liest, schreibt mir eine Nachricht. Ich muss jetzt erstmal kurz weg vom Computer. Durchatmen oder so... dürfte ja nicht schwer fallen, ich hab ja jetzt genug Sauerstoff für mich... 

Freitag, 3. Januar 2025

Glücksmaschine

Tag drei des neuen Jahres. Insta-Influencer*innen posten die Umsetzung ihrer Vorsätze zum Neuen Jahr. Andere haben mit den Altlasten aus dem letzten Jahr zu tun - oder mit denjenigen Altlasten, die noch um einiges älter sind, um einiges länger in die eigene Vergangenheit zurückreichen und mächtig auf sie einwirken. 

Eine Freundin schrieb bei WhatsApp, sie versuche nicht nur in diesem neuen Jahr zu überleben, sondern dem Leben wieder näher zu kommen. Ich meinte, ich könne das nachvollziehen, hegte ich doch seit geraumer Zeit den Wunsch, wieder glücklich sein zu wollen. (Legen wir das mal nicht mit einem Differenzierungszwang auf die Goldwaage und überlegen jetzt mal nicht, wie die korrekt formulierte psychomotivatorische Zielsetzung lauten möge...) 

Jedenfalls erwiderte sie darauf: "Die Glücksmaschine gehört zerstört..." 

Sie war vor einiger Zeit in eine Klinik, die Gruppe, in der sie ihre Gruppentherapie absolvierte, nannte sich »Problemlösegruppe«. 


Wir kamen doch recht oft an den Punkt, dass jemand sagte: "Ich suche nach dem Glück" und er machte dann schon nur noch eine Bewegung, wie wenn er einen Hammer schwingen würde und damit wussten wir: Die Glücksmaschine gehört kaputt gemacht. Sie will nämlich immer, dass wir glücklich sind, aber definiert dieses nicht. 
Das schlimme ist, dass wenn wir einen Moment des scheinbaren Glücks erreichen, dieser Glücksmaschine etwas einfällt, warum es nicht ausreicht und wie wir glücklicher sein können. Dann ist sie mit dem erreichten Glück nicht zufrieden. Und damit ist die Glücksmaschine Produzent des Unglücks, also des genauen Gegenteils. 


Ich mag ihr Bild von der Glücksmaschine irgendwie, auch wenn ich ihre Auffassung nicht teile. Das heißt, mich fasziniert dieses Bild. Du findest darin einen Gegner – eben diese Maschine. Eine Maschine, mit einem Bewusstsein, das mindestens so hochgradig vorhanden ist, dass es auf dich und deine Suche nach Glück reagiert und dein Widerpart wird. Du darfst nicht dauerhaft glücklich sein! 

Das kann es aber nicht sein. Schon allein, weil es so eine Maschine nicht gibt. Allenfalls metaphorisch, da "die Industrie" ständig versucht, in uns neu zu stillende Bedürfnisse in uns wachzurufen. Und die bestehenden immer wieder anzutriggern. Kauft! Kauft! Kauft! 

Glück ist für mich eher ein Zustand. Glücklich sein eben. Es geht mir dabei auch nicht um eine Steigerung. Außer vielleicht jetzt aktuell, denn gegenwärtig bin ich gar nicht glücklich. Ich bin nur etwas zufriedener geworden, als ich es die letzten Monate hindurch ging. Ich will wieder glücklich sein, und nicht durch die Präsenz oder Nichtpräsenz von Menschen in meinem Leben getrieben werden. Von einer Traurigkeit in die nächste Wolke der Melancholie und immer weiter fort von dem, wie ich eigentlich bin und mich eigentlich fühlen will. 

Glück und glücklich sein, das ist Eudaimonie, wie die halten Philosophen es nannten. Die εὐδαιμονία ist das gelingende Leben. Also gar nicht so sehr ein emotionaler Zustand, ich weiß; da beißen sich mein Wunsch und meine philosophische Sicht auf das Thema. Eine Spannung, die sich aber aushalten lässt.

Ich strebe also nach einem Zustand und nach einer Haltung, die ich einnehmen will. Welches von beidem leichter zu erreichen ist, weiß ich nicht. Wer die glückliche Haltung, die Haltung des gelingenden Lebens, hat, ist auch "glücklich", wenn er gerade keine glückliche, sondern eine bedrückende Zeit erlebt, eine Zeit der seelischen oder emotionalen Schmerzes, der Bedrücktheit des eigenen Gemütes... und auch des Misserfolges. Das hat fast etwas Stoisches.

Gemütszustände zu verändern, sie selbst zu beeinflussen, mag da die leichtere Aufgabe sein. Die Lieblingsserie, ein leckeres Essen, ein Witz, den man von einem Freund erzählt bekommt, mögen da schnelle Hilfsmittel sein, die das eigene Befinden verändern können. Manches für diese Grundemotion Freude kann ich selbst machen, für anderes bin ich auf Andere angewiesen.

Am Ende lässt sich dies alles auch als »Glücksmaschine« begreifen, den entscheidenden Unterschied macht, ob ich mich selbst an die Kontrollknöpfe dieser Maschine setze oder sie als unkontrollierbares Perpetuum mobile betrachte.